Seite:De Darwin Insectenfressende Pflanzen 233.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

welche sich durch Elasticität zusammenziehen. Wir können daher schlieszen, dasz ihre Bewegungen nicht durch die inhärente Elasticität gewisser Zellen, welcher, so lange sie lebendig und nicht gereizt sind, der ausgedehnte Zustand ihres Inhaltes entgegenwirkt, erklärt werden können.

Eine etwas verschiedene Ansicht haben andere Physiologen vorgebracht, dasz nämlich das Protoplasma, wenn es gereizt wird, sich wie die weiche Sarcode der Muskeln von Thieren zusammenzieht. Bei Drosera erscheint die Flüssigkeit innerhalb der Zellen der Tentakeln an der Beugungsstelle unter dem Mikroskope dünn und homogen, und nach der Zusammenballung besteht sie aus weichen Massen von Substanz, welche beständige Änderungen der Form erleiden und in einer beinahe farblosen Flüssigkeit schwimmen. Diese Massen werden vollständig wieder aufgelöst, wenn sich die Tentakeln wieder ausstrecken. Nun scheint es kaum möglich zu sein, dasz derartige Substanz irgend welche mechanische Kraft äuszern könne; wenn sie aber in Folge irgend einer molecularen Änderung weniger Raum einnehmen sollte als vorher, so würden sich die Zellenwandungen über ihnen schlieszen und zusammenziehen. In diesem Falle dürfte man aber erwarten, dasz die Wände Faltungen darböten; und solche konnten niemals beobachtet werden. Überdies scheint der Inhalt aller Zellen von genau derselben Beschaffenheit zu sein, sowohl vor als auch nach der Zusammenballung; und doch ziehen sich nur einige wenige der basalen Zellen zusammen, während der übrige Tentakel gerade bleibt.

Eine dritte, von einigen Physiologen vertretene Ansicht, die freilich von den meisten andern verworfen wird, ist die, dasz die ganze Zelle mit Einschlusz der Wandungen sich activ zusammenzieht. Wenn die Zellwände nur aus nichtstickstoffhaltiger Cellulose bestehen, ist diese Ansicht in hohem Grade unwahrscheinlich; es kann aber kaum bezweifelt werden, dasz sie von proteinartiger Substanz durchdrungen werden, wenigstens während sie wachsen. Auch scheint darin nicht von vornherein eine Unwahrscheinlichkeit zu liegen, dasz sich die Zellwände der Drosera zusammenziehen, wenn man den hohen Zustand ihrer Organisation in Betracht zieht: ein solcher zeigt sich, was die Drüsen betrifft, einmal in ihrem Vermögen der Aufsaugung und Absonderung, und darin, dasz sie so ausgesucht empfindlich sind, so dasz sie durch den Druck der minutiösesten Theilchen afficirt werden.

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_233.jpg&oldid=- (Version vom 6.9.2019)