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In einer groszen Mehrzahl dieser zwanzig Fälle wurde ein wechselnder Grad von Einbiegung langsam durch das phosphorsaure Salz verursacht. Indessen war in vier Fällen die Einbiegung sehr schnell, indem sie in weniger als einer halben Stunde oder höchstens in 50 Minuten eintrat. In drei Fällen brachte das Phosphat nicht die geringste Wirkung hervor. Was haben wir nun aus diesen Thatsachen zu folgern? Wir wissen aus zehn Versuchen, dasz 24 Stunden langes Eintauchen in destillirtes Wasser die spätere Einwirkung der Phosphatlösung verhindert. Es dürfte daher hiernach scheinen, als wirkten die Lösungen von Manganchlorid, von Gerbsäure und Weinsteinsäure, welche nicht giftig sind, genau so wie Wasser; denn das phosphorsaure Ammoniak brachte keine Wirkung auf die Blätter hervor, welche vorher in diese drei Lösungen eingetaucht gewesen waren. Die Mehrzahl der anderen Lösungen verhielten sich bis zu einem gewissen Masze wie Wasser; denn das phosphorsaure Ammoniak brachte nach einem beträchtlichen Zeitintervalle nur eine unbedeutende Wirkung hervor. Andererseits wirkte das phosphorsaure Ammoniak schnell auf die Blätter ein, welche in die Lösungen von Rubidiumchlorid und Chlormagnesium, von essigsaurem Strontian, salpetersaurem Baryt und Citronensäure gelegt worden waren. Wurde nun etwa aus diesen fünf schwachen Lösungen Wasser absorbirt und verhinderte es dennoch, in Folge der Gegenwart der Salze, die spätere Wirkung des phosphorsauren Ammoniaks nicht? Oder dürfen wir nicht annehmen[1], dasz die Zwischenräume der Drüsenwandungen durch Molecule dieser fünf Substanzen so verstopft waren, dasz sie für Wasser undurchgängig wurden; denn wäre Wasser eingetreten, so wissen wir von den zehn Versuchen her, dasz das phosphorsaure Ammoniak später keinerlei Wirkung hervorgebracht haben würde. Es zeigt sich ferner, dasz die Molecule des kohlensauren Ammoniaks schnell in Drüsen eintreten können, welche in Folge einer 20 Minuten währenden Eintauchung in eine schwache Auflösung von Zucker entweder das phosphorsaure Salz sehr langsam absorbiren oder von ihm sehr langsam beeinfluszt werden. Andererseits scheinen Drüsen, wie sie auch immer behandelt worden sein mögen, leicht den späteren Eintritt der Molecule des kohlensauren Ammoniaks zu gestatten.

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Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_195.jpg&oldid=- (Version vom 7.12.2018)

  1. s. Dr. Traube’s merkwürdige Versuche über die Bildung künstlicher Zellen und über ihre Durchlässigkeit für verschiedene Salze in seinen Aufsätzen: „Experimente zur Theorie der Zellenbildung und Endosmose“; Breslau, 1866, und „Experimente zur physicalischen Erklärung der Bildung der Zellhaut, ihres Wachsthums durch Intussusception u. s. w.“ Breslau, 1874. Diese Untersuchungen erklären vielleicht meine Resultate. Traube wendete als Membran gewöhnlich den Niederschlag an, welcher sich bildet, wenn Gerbsäure mit einer Lösung von Gelatine in Berührung kommt. Läszt man zu derselben Zeit einen Niederschlag von schwefelsaurem Baryt stattfinden, so wird die Membran „infiltrirt“ mit diesem Salze; und in Folge der Einschaltung von Moleculen des schwefelsauren Baryts zwischen diejenigen des Gelatine-Niederschlags werden die Molecularzwischenräume in der Membran kleiner. In diesem veränderten Zustande gestattet die Membran nicht länger den Durchtritt weder von schwefelsaurem Ammoniak noch von salpetersaurem Baryt durch sie hindurch, obschon sie ihre Durchlässigkeit für Wasser und Chlorammonium behält.