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Stunden 30 Minuten ein wenig, und in 20 Stunden bedeutend einwärts gebogen. Die Wirksamkeit dieser Flüssigkeit ist ohne Zweifel eine Folge davon, dasz sich Speichel oder irgend eine eiweiszartige Substanz[1] ihr zugemischt hat, und nicht dem Mucin oder dem chemischen Grundstoff des Schleimes zuzuschreiben, wie wir in folgendem Capitel sehen werden.

Speichel. — Menschlicher Speichel hinterläszt, wenn er verdunstet wird, von 1,14 zu 1,19 Procent Rückstand [2]; dieser ergibt 0,25 Procent Asche, so dasz das Verhältnis stickstoffhaltiger Substanz, welche der Speichel enthält, sehr gering sein musz. Nichtsdestoweniger wirkten Speicheltropfen, welche auf die Scheibe von acht Blättern gethan wurden, auf sämmtliche. In einem Falle wurden die sämmtlichen äuszern Tentakeln, mit Ausnahme von neun, in 19 Stunden 30 Minuten eingebogen; in einem andern Falle wurden einige wenige in 2 Stunden und nach Verlauf von 7 Stunden 30 Minuten alle diejenigen, welche der Mitte nahe standen, wo der Tropfen lag, ebenso wie die Blattscheibe beeinfluszt. Seitdem ich diese Versuche gemacht habe, habe ich hundertmal Drüsen mit dem mit Speichel angefeuchteten Griff meines Scalpels eben berührt, um zu ermitteln, ob ein Blatt sich im activen Zustande befände: dies zeigte sich nämlich im Verlaufe weniger Minuten durch das Einwärtsbiegen der Tentakeln. Das eszbare Nest der chinesischen Schwalbe ist aus einer von den Speicheldrüsen abgesonderten Substanz gebildet; zwei Gran eines solchen wurde einer Unze destillirten Wassers zugesetzt (ein Theil auf 218), welches mehrere Minuten lang gekocht wurde, aber doch nicht das Ganze auflöste. Tropfen von der gewöhnlichen Grösze wurden auf drei Blätter gebracht, und diese waren in 1 Stunde 30 Minuten ordentlich, in 2 Stunden 15 Minuten dicht eingebogen.

Hausenblase. — Tropfen einer Lösung, welche ungefähr so dick wie Milch war, und einer noch dickeren Lösung wurden auf acht Blätter gebracht; die Tentakeln aller wurden eingebogen. In einem Falle wurden die äuszern Tentakeln nach Verlauf von 6 Stunden 30 Minuten ordentlich einwärts gekrümmt und die Blattscheibe nach 24 Stunden in theilweiser Ausdehnung. Da der Speichel so kräftig wirkt und doch ein so geringes Verhältnis an stickstoffhaltiger Substanz enthält, so versuchte ich, eine wie kleine Quantität von Hausenblase wirken würde. Ein Theil wurde in 218 Theilen destillirten Wassers aufgelöst und Tropfen hiervon auf vier Blätter gebracht. Nach 5 Stunden waren zwei derselben beträchtlich und zwei mäszig eingebogen; nach 22 Stunden waren die ersteren bedeutend und die letzteren noch viel mehr eingebogen. Im Verlauf von 48 Stunden von der Zeit an, wo die Tropfen auf die Blätter gebracht worden waren, hatten sich alle vier beinahe wieder ausgebreitet. Es wurden ihnen dann kleine Stücken Fleisch gegeben, und diese wirkten kräftiger als jene Lösung. Dann wurde weiter ein Theil Hausenblase in 437 Theilen Wasser aufgelöst; die in dieser Weise bereitete Flüssigkeit war so dünn, dasz sie nicht von reinem Wasser unterschieden werden konnte. Tropfen von der gewöhnlichen Grösze wurden dann auf sieben

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Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_071.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)



  1. Schleim aus den Luftwegen soll nach Marshall, Outlines of Physiology, Vol. 11. 1867, p. 364, etwas Eiweisz enthalten.
  2. Müller. Handbuch der Physiologie, 1844. Bd. 1., p. 422.