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Meine Versuche wurden in der folgenden Art und Weise angestellt: Es wurden Blätter abgeschnitten, was nicht im Allergeringsten ihre verschiedenen Fähigkeiten beeinträchtigt, so wurden z. B. drei abgeschnittene Blätter, mit Stückchen Fleisch auf sie gelegt, in einer feuchten Atmosphäre gehalten, und nach 23 Stunden umfaszten sie das Fleisch dicht sowohl mit ihren Tentakeln als mit den Blatträndern; auch hatte sich das Protoplasma in ihren Zellen ganz gut zusammengeballt. Drei Unzen zweimal destillirten Wassers wurden in einem Porzellangefäsz erhitzt und ein empfindlicher Thermometer mit einem gestreckten Quecksilberbulbus schräg darin aufgehängt. Das Wasser wurde allmählich durch eine unter dem Gefäsze hin und her bewegte Spiritusflamme auf die erforderliche Temperatur gebracht; und in allen Fällen wurden die Blätter einige Minuten lang beständig in dichter Nähe des Bulbus hin und her bewegt. Dann wurden sie in kaltes Wasser oder in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak gethan. In andern Fällen wurden sie in dem Wasser, welches bis auf eine gewisse Temperatur erwärmt worden war, gelassen, bis es kalt geworden war. In andern Fällen wiederum wurden die Blätter plötzlich in Wasser von einer bestimmten Temperatur eingetaucht und dort eine genau angegebene Zeit gelassen. Wenn man bedenkt, dass die Tentakeln äuszerst zart sind, und dasz ihre Membranen sehr dünn sind, so scheint es kaum möglich zu sein, dasz der flüssige Inhalt ihrer Zellen nicht bis auf eine um einen oder zwei Grad niedrigere Temperatur als die des umgebenden Wassers erhitzt worden sein sollte. Jede weiteren Vorsichtsmaszregeln würden, wie ich glaube, überflüssig gewesen sein, da die Blätter in Folge des Alters oder constitutioneller Ursachen unbedeutend in ihrer Empfindlichkeit gegen Wärme von einander verschieden sind.

Es wird zweckmäszig sein, zuerst kurz die Wirkungen eines dreiszig Stunden langen Eintauchens in kochendes Wasser zu beschreiben. Die Ränder werden dadurch welk gemacht, die Tentakeln werden rückwärts gebogen, was, wie wir in einem spätern Capitel sehen werden, wahrscheinlich eine Folge davon ist, dasz ihre äuszern Flächen ihre Elasticität längere Zeit behalten, als ihre innern Flächen das Contractionsvermögen bewahren. Die purpurne Flüssigkeit innerhalb der Zellen der Stiele wird fein granulirt, es tritt aber keine echte Zusammenballung ein; auch erfolgt eine solche nicht, wenn die Blätter später in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak gethan werden. Die merkwürdigste Veränderung ist aber die, dasz die Drüsen undurchsichtig und gleichförmig weisz werden; dies dürfte der Gerinnung ihres albuminösen Inhaltes zuzuschreiben sein.

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_059.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)