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Viertes Capitel.
Die Wirkung der Wärme auf die Blätter.

Art der Versuche. — Wirkungen kochenden Wassers. — Warmes Wasser verursacht rapide Einbiegung. — Wasser auf höherer Temperatur verursacht nicht sofortige Einbiegung, tödtet aber die Blätter nicht, wie ihr späteres Wiederausbreiten und das Zusammenballen des Protoplasma zeigt. — Eine noch höhere Temperatur tödtet die Blätter und coagulirt den eiweiszhaltigen Inhalt der Drüsen.

Bei meinen Beobachtungen über Drosera rotundifolia schienen die Blätter während sehr warmen Wetters schneller über thierische Substanzen eingebogen zu werden und längere Zeit eingebogen zu bleiben, als während kalten Wetters. Ich wünschte daher festzustellen, ob Wärme allein eine Einbiegung veranlassen würde, und welche Temperatur die wirksamste wäre. Es bot sich noch ein anderer interessanter Punkt dar, die Frage nämlich: bei welchem Hitzegrade das Leben vernichtet würde, denn Drosera bietet in dieser Beziehung ungewöhnliche Leichtigkeit der Beobachtung dar, und zwar nicht wegen des Verlustes des Vermögens sich einzubiegen, sondern wegen des der späteren Wiederausbreitung und ganz besonders in dem Ausbleiben des Zusammenballens des Protoplasma, wenn die Blätter, nachdem sie erwärmt waren, in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak eingetaucht werden[1].

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_058.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)



  1. Als meine Experimente über die Wirkungen der Wärme angestellt wurden, wuszte ich nicht, dasz der Gegenstand von mehreren Beobachtern sorgfältig untersucht worden war. So ist z. B. Sachs überzeugt (Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl., 1874. p. 698, 701), dasz die allerverschiedensten Pflanzen sämmtlich umkommen, wenn sie 10 Minuten lang in Wasser von 45° bis 46°C. gehalten werden; und er gelangt zu dem Schlusse, dasz das Protoplasma in ihren Zellen, im feuchten Zustande, bei einer Temperatur von zwischen 50° und 60°C. coagulirt. Max Schulze und Kühne „fanden (citirt von Dr. Bastian in „Contemporary Review, 1874, p. 528"), dasz das Protoplasma der Pflanzenzellen, mit dem sie experimentirten, stets getödtet und verändert wurde, wenn es auf kurze Zeit einer Temperatur von 48°C. als Maximum ausgesetzt wurde". Da meine Resultate aus speciellen Erscheinungen abgeleitet sind, nämlich der späteren Zusammenballung des Protoplasma und dem Wiederausstrecken der Tentakeln, so scheint es der Mühe werth zu sein, sie mitzutheilen. Wir werden finden, dasz Drosera der Hitze etwas besser widersteht, als die meisten andern Pflanzen. Dasz sich in dieser Hinsicht beträchtliche Verschiedenheiten zeigen, ist nicht überraschend, wenn man bedenkt, dasz einige niedrige vegetabilische Organismen in heiszen Quellen wachsen, — wofür von Prof. Wyman Beispiele gesammelt worden sind (American Journal of Science, Vol. XLIV. 1867;. So fand z. B. Dr. Hooker Conferven in Wasser von 168°F., Humboldt bei 185°F., und Descloizeaux bei 208°F. (57,78°, 67.22° und 80°C.)