Seite:De DZfG 1895 12 318.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Der gedrängten Darstellungsweise eines Tacitus entspricht es aber durchaus nicht, eine sich von selbst aus seinen Worten ergebende Schlussfolgerung noch näher klar zu legen.

Schliesslich bleiben auch hier die schon oben erwähnten Bedenken. Wenn die robustiores ac jam pridem probati die principes sein sollen, so passt der Ausdruck nicht recht. (Vgl. oben S. 314.) Sind aber mit diesen Worten die comites gemeint, so muss man sich das „comites“ aus dem Folgenden – nec rubor inter comites aspici – ergänzen, da vorher mit keinem Wort etwas von einem Gefolge gesagt ist. (Vgl. oben S. 315.)

Mit dieser Conjectur ist also die Sache keineswegs gebessert.

Auf gewaltsamere Weise sucht sich Ribbeck zu helfen: aus dem ceteris macht er interim, aus dessen Abkürzung (īterī) leicht ceteris entstanden sein könne. Dignatio sei bei Tacitus nicht eine reelle Würde oder gar ein factisches Amt, sondern bezeichne nur die ideelle Geltung der Person oder des Namens, und assignare deute auf etwas in der Zukunft Liegendes hin. Der Schriftsteller habe also den Sinn in seine Worte legen wollen: „Jenen Jünglingen werde durch ihre Geburt eine Anwartschaft auf die Würde eines Häuptlings gegeben, so dass ihnen die künftige Wahl praestitis praestandis hierdurch verbürgt sei“. Doch erst habe der „designirte“ princeps Proben von seiner Tüchtigkeit zu geben, und zu diesem Zweck schliesse er sich Reiferen und längst Bewährten an und schäme sich einstweilen nicht, sich „unter den comites wie alle übrigen edlen jungen Leute sehen zu lassen“[1].

Hat denn aber Ribbeck durch seine Aenderung des Textes in irgend welcher Beziehung etwas gewonnen? Keinesfalls!

Es kommt dann, wie Barth sich ausdrückt, ein „äusserst wässeriger Sinn“ heraus, wenn assignare übersetzt wird mit „eine Anwartschaft geben auf etwas“. Tacitus hatte dann nichts Anderes gesagt, als dass junge Leute wegen ihrer Geburt Aussicht

  1. Ribbeck im Rhein. Museum f. Philologie Bd. 22 (Frankfurt a. M. 1867) S. 159. – Ein „Einstweilen“ einzuschieben fühlt sich auch Scherer a. a. O. S. 103 veranlasst, ein Zeichen, dass ihn gleichfalls trotz seiner entgegengesetzten, im Brustton der Ueberzeugung ausgesprochenen Behauptung, dignatio heisse hier Würde eines princeps, doch seine Uebersetzung nicht vollkommen befriedigt.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 318. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_318.jpg&oldid=- (Version vom 7.6.2023)