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verfuhr, im nächsten nicht vorsichtiger sein? Und ist Oesterreich sicher, dann nicht widerstandslos zu einer activen Theilnahme gezwungen zu werden? Und wird sich Russland immer dem Frieden widersetzen, ihn nicht vielmehr unter Bedingungen schliessen, die ihm günstig, seinen Nachbarn drückend sind? Und wenn Napoleon dort nichts Grosses erlangt, wird er nicht noch mehr auf den Theil Europas, der schon durch seine geographische Lage nicht Widerstand leisten kann, drücken“? Man sieht, Humboldt erblickte durchaus keinen Segen in diesem passiven Zuwarten und befand sich darin in Uebereinstimmung mit seiner Regierung[1].

Inzwischen kamen die Nachrichten von Napoleon’s Rückzug, ohne dass aber die ganze Ausdehnung der Katastrophe bekannt wurde. Metternich gestand[2] nun allerdings die kritische Lage Napoleon’s ein, war aber überzeugt, dass sein Genie und die Fehler seiner Feinde ihm schon einen Ausweg bieten würden. Auch Humboldt sah Napoleon’s Lage noch ziemlich günstig an; er glaubte nicht, dass jener zu keinem anderen Zweck nach Moskau gegangen sei, als um Schrecken zu verbreiten und einen schnellen Frieden zu erlangen. Sobald er die Abneigung der Russischen Regierung gegen den Frieden erkannt und aus dem Brande Moskaus ihre Festigkeit ersah, konnte er sich in einer so vorgerückten Stellung nicht mehr halten, aber wenn er sich ohne grossen Verlust und ohne wirkliche Schlappe zurückzöge, wenn sein Heer Winterquartiere zwischen Wilna und Smolensk beziehen könnte, so hätte ihn dieser Feldzug doch wenigstens in den Besitz fast sämtlicher Polnischen Provinzen Russlands gebracht, und die momentane Einnahme Moskaus die Russische Regierung der Hilfsquellen beraubt, welche die Hauptstadt und ihre Umgebung ihr boten, auch habe der Feldzug die Schwedische Expedition scheitern lassen. Allerdings verkennt Humboldt nicht, dass der Elan, den der Rückzug der Französischen Armee den Russischen Truppen und dem Petersburger Cabinet gäbe, und der Eindruck auf die Französischen Truppen und auf Frankreich selbst unberechenbare Folgen haben könne; ein neuer Erfolg Napoleon’s würde allerdings diesen Eindruck vermindern,

  1. s. Häusser 4, 6.
  2. Bericht vom 18. November 1812.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_118.jpg&oldid=- (Version vom 25.5.2023)