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Zweideutigkeit in helles Licht stellt, darf Humboldt’s Unterschätzung derselben entschuldigen. Im übrigen hielt er an seiner Ansicht, dass Oesterreich schliesslich mit Frankreich abschliessen würde, fest. Seine Depeschen zeichnen in immer neuen Wendungen die Zerrüttung der Oesterreichischen Verhältnisse in Heer und Verwaltung, die Unmöglichkeit, Krieg zu führen oder den Forderungen Frankreichs zu widerstehen; er tadelt Russland, dass es nicht direct von Oesterreich Stellungnahme fordere, dann würde (jetzt noch) Kaiser Franz zweifellos die Neutralität erklären, und das wäre wichtig, da es dem Wiener Cabinet zum mindesten die Möglichkeit raube, im Falle eines Bündnisses mit Frankreich die Schuld auf Russlands Mangel an Offenheit zu schieben. Er kommt wohl noch einmal darauf zurück, dass Oesterreich am liebsten den Frieden erhalten, sich im Innern consolidiren und die Bande mit Preussen und Russland enger knüpfen möchte, was sich aus den oft angeführten Gründen der inneren Politik und dem Verhalten Russlands nicht durchführen lasse, aber er bemerkt doch auch schon, dass Metternich nicht mehr erkläre, Kaiser Franz werde die Neutralität aufrecht erhalten, sondern dies noch bloss als seinen Wunsch bezeichne. Er findet ihn sehr resignirt und meint, selbst wenn man dem Bündniss widerstreben würde, so könne man den Durchmarsch der Baierischen und Italienischen Truppen durch die kaiserlichen Staaten nicht hindern. Immerhin stünden 30- bis 40,000 Mann an den Grenzen Russlands und des Herzogthums Warschau und dürften Russland Verlegenheit bereiten, während Napoleon die Baierischen und Italienischen Truppen zur Beobachtung Deutschlands zurückbehielte. Ja, er erfährt eine angebliche Aeusserung Metternich’s, er erwarte täglich den Vorschlag zur Allianz, dem zu widerstreben unmöglich sei[1].

In einem grossen Berichte vom 4. März legt Humboldt die ganze Sachlage zusammenfassend noch einmal dar. Er hält daran fest, dass der Kaiser und Metternich eigentlich der Allianz abgeneigt seien und den lebhaften Wunsch hegen, durch nichts von der Sorge für die innere Consolidirung abgezogen zu werden, und – im Hinblick auf die Zukunft ist diese Andeutung wichtig – dass sie von dem Gefühl durchdrungen seien, dass ihre Politik niemals

  1. Berichte vom 25. December 1811, 15. Januar, 8., 12., 29. Februar 1812.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_110.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2023)