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Mit gleicher Sorgfalt wie alle Nachrichten von aussen, die den Bruch näher oder entfernter erscheinen liessen, beobachtet Humboldt auch die Ereignisse im Innern. Auf die antifranzösische Stimmung der Bevölkerung hat er mehrfach hingewiesen, die finanzielle Lage oft bis in die Details verfolgt, die Angriffe gegen Metternich’s Stellung, den Kampf der Hofparteien unter einander, später die bedenkliche Entwickelung des Ungarischen Reichstages, dem er selbst im October 1811 einige Tage beiwohnte, in genauen und umfangreichen Berichten verfolgt, und wenn man seine Nachrichten mit den intimen Aufzeichnungen jener Tage von Oesterreichischer Seite, mit den Tagebüchern des Erzherzogs Johann, Gentz und anderer vergleicht, sieht man, dass ihm kaum etwas entgangen ist, dass er über gute Quellen verfügt und scharf beobachtet. Ein wiederholt besprochener und beklagter Umstand sind die stets beabsichtigten und stets unterbliebenen Reformen im Heerwesen; im April 1811 glaubt er endlich etwas Bewegung in die träge Staatsmaschine gekommen. Er berichtet[1], dass eine Vermehrung der Armee beschlossen sei, dass ihre Reorganisation durchgeführt werde und im allgemeinen alles gut gehen würde, wenn die drei Männer, die an der Spitze der drei wichtigsten Departements stehen, Metternich, Bellegarde und Wallis, vom gleichen Eifer belebt, fest vereint zusammen arbeiteten und ihre Massregeln im voraus verabredeten. Aber Graf Wallis sei allzu hartnäckig und sähe sein Ressort isolirt an; Bellegarde sei allzusehr Höfling und schrecke vor dem geringsten Widerstande zurück. Der Kaiser, General Kutschera und selbst Metternich widmen sich nicht genug dem Staat, halten sich nicht genügend von den laufenden Geschäften zurück und lassen sich die wirkliche Rettung und Erhaltung des Staates nicht genug angelegen sein. Bald erkennt er denn auch wieder[2], dass etwas Energisches auch jetzt nicht geschähe, obgleich in der Armee etwas Bewegung und im Arsenal und den Bureaux des Kriegsministeriums etwas mehr Thätigkeit herrsche als früher. Mancherlei Pläne scheitern am Widerstande des Finanzministers. Wallis und Wrbna erklären[3], Oesterreich brauche mindestens noch zwei Jahre voller Ruhe.

  1. Bericht vom 10. u. 13. April 1811.
  2. Bericht vom 24. April 1811.
  3. Bericht vom 27. April 1811.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_099.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2023)