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Von Differenzen der Auffassung sehe ich ab; zwar finde ich manches, was mich, auch wenn ich einer stark abweichenden Anschauung Rechnung trage, als Ausspruch eines Historikers in einem so ernsten Geschichtswerke stark befremdet; aber ohne eingehendere Begründung darf ich mir nicht herausnehmen, mein Urtheil auf eine solche Differenz zu gründen; und da die communis opinio wahrscheinlich auf Seiten des Verfassers stände, wären diese Punkte wenigstens für den äusseren Erfolg kein Hindernis. Aber es scheint mir (und das wäre, unabhängig von Auffassungsdifferenzen, entscheidend), als sei der rechte Ton der Erzählung in diesem Werke nicht getroffen, als sei die Darstellung nicht recht anschaulich, wirklich lebendig und fesselnd, als sei sie auch nicht voraussetzungslos genug und als seien desshalb Einzelheiten für den Leser, der doch kein Historiker ist, nicht immer klar und ganz verständlich. In dieser Beziehung scheint mir auch die starke Vernachlässigung der ältesten Zeiten ein entschiedener Fehler. Es fehlen dadurch manche Voraussetzungen zum rechten Verständniss der späteren Entwicklung. In der Darstellung, die diese ältesten Zeiten gefunden haben, treten, wie mir scheint, ähnliche Mängel der Form besonders hervor; der Stil ist nach meiner Empfindung nicht leichtflüssig und nicht präcis, andererseits nicht lebendig genug, um das Buch volksthümlich werden zu lassen; die Bilder, die uns in der Erzählung begegnen, scheinen mehr äusserlich aufgesetzter Schmuck als ein naturwüchsiger Bestandtheil zu sein; man hat nicht den Eindruck, dass gleichsam das innere Nacherleben der geschichtlichen Entwicklung sich aus dem Geiste des Verfassers heraus zur Darstellung, und zwar zur Darstellung gerade in diesen Formen drängt. Also das bisher entbehrte wissenschaftliche Volksbuch der Deutschen Geschichte ist das Werk noch nicht; aber trotzdem ist es eine dankenswerthe That, und es ruft zur Nachfolge auf.

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Zwei ausländische Lehrbücher verdienen anscheinend als in ihrem Kreise recht bedeutsam erwähnt zu werden, ein Italienisches und ein Russisches. C. Rinaudo’s Corso di storia generale del medio evo e dei tempi moderni wird u. a. im AStorItal 14, 209 von Casanova ausserordentlich gerühmt. P. Vinogradov, einer der bedeutenderen Russischen Geschichtsforscher, dessen Arbeitsgebiet besonders die Englische Geschichte ist, hat sich daran gemacht, ein kurzgefasstes Lehrbuch der Weltgeschichte zu schreiben (Učebnik vseobščej istorii). Das erste Bändchen (Alterthum, etwa 200 p. stark) ist 1893 erschienen und liegt schon in 2. Auflage vor, der 2. Band (Mittelalter) ist ihm nachgefolgt. Vinogradov will den Russischen Gelehrten durch diesen Versuch mit einem guten Beispiel vorangehen.

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Personalien. Akademien etc. Von der hist.-philol. Classe der Gesellschaft der Wiss. in Göttingen sind u. a. zu corresp. Mitgliedern gewählt worden: Priv.-Doc. L. Traube in München, Archivar W. von Bippen in Bremen, Prof. D. Schäfer in Tübingen, Prof. Ed. Schröder in Marburg, Prof. W. Wilmanns in Bonn, Prof. A. Hauck in Leipzig, Herm. Möller in Kopenhagen. – Die Wahl des Prof. J. Langen in Bonn zum corresp. Mitglied der histor. Cl. der Münchener Akademie (s. ’93, 562) hat jetzt die im Vorjahr nicht ertheilte Bestätigung erhalten. Neue Vorschläge

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_387.jpg&oldid=- (Version vom 12.5.2023)