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Arbeit noch gerade benutzt werden konnte, die neue Edition vorzüglich erwünscht, wenn auch da das durchaus negative Urtheil Holder-Egger’s über Lambert nicht bis zu den allerletzten Folgerungen getheilt wird.

Doch erfordert wenigstens ein Capitel, auf welches in den Jahrbüchern nur in den Nachträgen kurz Bezug genommen werden konnte, hier noch eine Ausführung, dasjenige, das als Cap. VI. unter dem Titel „Canossa“ im dritten Theile der „Studien“, S. 537 ff., mitgetheilt ist.

Darin ist dem Kritiker ganz beizustimmen, dass Lambert’s Bericht auch hier in der Hauptsache sich überall als unbrauchbar herausstellt. Der von dem Annalisten behauptete Inhalt der geheimen Verhandlungen, die der Aussöhnung zwischen Heinrich IV. und dem Papste vorangingen, vollends die Darstellung der Feier des Abendmahls nach Vollzug der Wiederaufnahme des Königs in den kirchlichen Verband sind ganz zu verwerfen. Ebenso streicht Holder-Egger mit Recht die Uebertreibungen Lambert’s bei der Schilderung der Durchführung der Bussübung[1].

Allein ganz besonders möchte nun Holder-Egger auch diese Busshandlung des Königs in einer von der gewohnten Auffassung, bei der allerdings manche unglaubwürdige Züge aus Lambert’s Schilderung haften geblieben sind, sehr abweichenden Form erklären. Gestützt auf die von ihm in nachdrücklichster Weise herangezogene Erzählung Donizo’s, Vita Mathildis, Lib. II, v. 85 ff., nimmt er an, Heinrich IV. habe sich innerhalb der ersten Umwallung, wo wohl Mathilde nach Möglichkeit für Unterkunft gesorgt habe, während der drei Tage in seinem Quartiere – vielleicht in schnell herbeigeschafften Zelten – befunden, wohl im Bussgewande, und sei am dritten Tage in die Kapelle gekommen, wo mit der Gräfin und Abt Hugo verhandelt worden sei, woran sich die Lossagung durch den Papst geschlossen habe.

Doch diese Erklärung verträgt sich nicht mit den bestimmten Worten der allein in erster Linie zu beachtenden Quelle, Gregor’s VII. eigenen Worten über Heinrich IV. in seinem Bericht – Registrum IV, 12, Jaffé 5017 –, die bestimmt genug lauten: per triduum ante portam castri – – – discalciatus – – – persistens. Gewiss ist zuzugeben, dass ein Stehen während des ganzen Tages, in der argen Kälte, so wie das Lambert behauptet, als eine Unmöglichkeit sich herausstelle.

  1. Auch Löwenfeld stand in seiner zweiten Auflage der Papstregesten Jaffé’s, Bd. I S. 620, noch unter Lambert’s Einfluss, wenn er mit diesem den König „nudis pedibus jejunus a mane ad vesperam“ stehen lässt.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 360. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_360.jpg&oldid=- (Version vom 14.5.2023)