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Der Sturz des Northumbrischen Königs war diesmal offenbar durch die Geistlichkeit des Landes herbeigeführt worden. An ihrer Spitze stand der Erzbischof von York Eanbald II. Auf welcher Seite die Hauptschuld an dem Zerwürfniss lag, lässt sich nicht entscheiden. Conflicte zwischen dieser Macht im Staate und dem Königthum ergaben sich mit Nothwendigkeit. Schon die Vorgänger Eanbald’s hatten über Bedrückungen zu klagen gehabt, und er selbst war weit anspruchsvoller aufgetreten, als jene. Wir wissen, dass er Feinde des Königs in seinen Schutz nahm und auf ihre Besitzungen seine Hand legte. So hatte er seine kriegerische und wirthschaftliche Macht weit über das gewöhnliche Mass ausgedehnt und war nun stark genug, dem Könige die Spitze zu bieten[1]. Man möchte vermuthen, dass Aelfwold, der nun den Thron bestieg, sein Geschöpf war, denn nur der Erzbischof, nicht der neue König, wird in unseren Briefen als das Haupt der Gegner Eardulf’s genannt. Die entscheidende Rolle, welche die hohe Geistlichkeit bei dieser Revolution spielte, muss man im Auge behalten, um die Einmischung des Papstes und des Kaisers richtig zu beurtheilen.

Sie erklärt zunächst das Interesse, das Leo III. sogleich an den Dingen nahm. Nachdem er von England die Kunde erhalten hatte, sandte er einen Legaten dorthin, dessen Reise durch das Frankenreich von Karl in gewohnter Weise begünstigt wurde. Dass dies schon der Legat Aldulf war, wie allgemein angenommen wird, ist keineswegs erwiesen. Es scheint, dass Karl über den Zweck seiner Sendung nicht unterrichtet worden ist, ihn also wohl kaum persönlich empfangen hat[2]. – Mittlerweile hatte er selbst von den Northumbrischen Unruhen gehört und war sogleich für den geflüchteten König

  1. So wird uns der Conflict erklärlich, auch ohne dass wir den unmittelbaren Anlass kennen. Vgl. die Briefe Alchvin’s, Jaffé Bibl. 173, 174 (demnächst Mon. Germ. Ep. IV, 232, 233).
  2. Vgl. Simson II, 382 und andere; Conring, Leonis III. epp. 2. ed. Helmst. 1655 S. 67 sagt wenigstens vorsichtig: „missus videtur fuisse Adolphus ille– – –“. Daraus, dass beide „more solito“ von Karl begünstigt wurden, lässt sich die Identität allein noch nicht erschliessen. Die folgende Erwägung spricht vielmehr eher dagegen: Karl hat den Legaten Aldulf jedenfalls persönlich empfangen („susceptus“ in Brief 3, während das Gleiche von dem missus in Brief 2 nicht gesagt ist). Er hat ihm dabei das Versprechen abgenommen, auf der Rückkehr von England wieder bei ihm vorzusprechen. Wäre dies der missus in Brief 2 gewesen, so würde Karl dem Papste die Vertreibung Eardulf’s wohl kaum noch als eine Neuigkeit mitgetheilt haben und hätte sich durch ihn nicht erst über den Zweck der Sendung jenes missus belehren zu lassen brauchen.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 355. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_355.jpg&oldid=- (Version vom 14.5.2023)