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Wie weit der Landesherr sich an der Regierung betheiligte, bestimmte er selbst. Von den kirchlichen Angelegenheiten weniger als später in Anspruch genommen und als Wahlfürst von mehr als erblicher Tüchtigkeit widmete er sich so regelmässig der Leitung seines Volkes, dass die Regierung, die gute wie die schlechte, ihm persönlich zugerechnet wurde[1]. Wollte oder konnte er die Arbeit nicht selbst erledigen, so sorgte er nach freiem Ermessen für Ersatz. An seinem Hofe besass er nach Byzantinischem Vorbild Ministerien mit bestimmten Geschäftskreisen. Für die seltenen Fälle einer längeren Abwesenheit ordnete er die Fortführung der Geschäfte an[2].

Am Hofe wie im Lande gab es keine anderen Beamten als päpstliche. Dieses Beamtenthum, auch das kirchliche, hatte von der Byzantinischen Zeit die Neigung zu Rangordnungen, Titeln, Ceremonien überkommen. Der Papst war befugt, Aemter zu errichten[3] und besetzte die Aemter ohne rechtliche Beschränkung[4]. In die Geschäfte griff er nach Belieben ein, auch an Justizsachen betheiligte er sich nach Gefallen und insbesondere übte er das Recht, Verbrecher zu bestrafen oder zu begnadigen, oft persönlich aus[5].

Die Gerichte des Landes, die in seinem Namen gehalten wurden, zeigten geringe Veränderungen. In der Hauptstadt war der ehemalige Statthalter des Kaisers, der Stadtpräfect, sein höchster Richter[6]. Auf dem Lande blieb die Rechtspflege mit der Verwaltung verbunden. Auch das Heerwesen blieb so, wie es in der kaiserlichen Zeit geworden war; bestimmte Classen der Stadt- und Landbewohner waren waffenpflichtig und mussten

    C. Neumann, Die Weltstellung des Byzant. Reiches vor den Kreuzzügen 1894 S. 76 f.

  1. Z. B. Codex Carolinus S. 510, 4–6. Vita Hadriani c. 1.
  2. Stephan II. befahl bei seiner Abreise 753 seine Leute dem Petrus, Vita Stephani II. c. 19. Eine Vertretung ordnete auch Leo IV. an, Coll. Brit. ep. 23, Neues Archiv V, 387.
  3. Z. B. 772 Regesto di Farfa II. S. 84.
  4. Vgl. Codex Carolinus S. 568, 24. 569, 1. 577. 579. 580, 2. 587, 34, Leo III. an Karl, April 808, Jaffé IV, 312. Constitutio Romana 824 c. 1, Capitularia I, 323. Die Beamten schwuren ihrem Dienstherrn Treue, Vita Benedicti III. c. 6. 9.
  5. Vita Pauli c. 3, Hadriani c. 4. 10–17.
  6. Vita Hadriani c. 13.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 329. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_329.jpg&oldid=- (Version vom 17.5.2023)