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So war die Macht in Italien vertheilt, als ein Menschenalter hindurch Imperatoren und Päpste mit einander kämpften.

Der Papst trat dem Kaiser zuerst auf dogmatischem Gebiet entgegen. Der Kaiser war ein Laie, der den Glauben der Kirche nicht ändern durfte; allein ein ökumenisches Concil, welches allgemein verbindliche Glaubenssatzungen geben konnte, durfte nur er berufen. Als Kaiser hatte er die Pflicht, zum rechten Glauben zu zwingen; gebot er eine abweichende Lehre, so hatte er kein Recht auf Gehorsam[1]. Die Alleinherrschaft der Bischöfe über das Dogma war, so lange das innere Christenthum bestand, ohne unmittelbare Gefahr für den Staat, aber die Religion Christi war durch das Römische Volksthum zu einem äusseren Gesetz geworden; die veränderte Religion wollte Recht sein und als Recht forderte sie einen Gehorsam, welcher von den persönlichen Ansichten des Glaubenspflichtigen über das Recht unabhängig war. Hier konnte der Ungehorsam im Glauben einen Staatsungehorsam zur Folge haben, sobald der Kaiser einen Glaubensbefehl erliess, welcher in seiner Gültigkeit beanstandet wurde. Denn der Gehorsam in den kirchlichen und in den staatlichen Dingen war ein gleichartiger, der Befehlende war ein und derselbe Mann und die Gehorsamspflichtigen im Glauben waren auch seine Unterthanen. Verwarf nun der Papst ein kaiserliches Glaubensgebot, so stellte er sich als der Vertheidiger des Rechts gegen das Unrecht dar. Indem er den wahren durch den Imperator bedrohten Glauben in Schutz nahm, brauchte er sich nicht darauf zu berufen, dass auch er allgemeine Satzungen für die Kirche zu erlassen vermochte, ohne doch ihr oberster Gesetzgeber zu sein[2].

Ein Kaiser stellte mit einer Synode 692 Rom nachtheilige Ordnungen auf. Sergius verweigerte die Annahme der neuen, von keinem ökumenischen Concil gegebenen Satzungen. Justinian II. gedachte seine Zustimmung zu erzwingen. Er schickte einen Beamten nach Rom, um den Gegner nach Constantinopel zu führen. Auf

  1. Z. B. Justinian, Nov. VI pr. Des Kaisers Schreiben an Papst Agatho, Migne 87, 1151. Johannes von Damascus, De imaginibus Oratio I. II, Migne, Patrologia graeca 94, 1281. 1304. Schwarzlose, Der Bilderstreit (1890) S. 249 f.
  2. Papst Agatho verkündete 680: sic omnes apostolicae sedis sanctiones accipiendae sunt, tanquam ipsius voce divina Petri firmatae, Gratian I, 19, 2.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 310. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_310.jpg&oldid=- (Version vom 16.5.2023)