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von zweifelhaftem Werth. Sie stellte keine Wehrhaftigkeit seiner Provinz gegen die Langobarden her, war hingegen eher geeignet, eine starke Byzantinische Regierung zu verhindern als sie zu dulden oder zu unterstützen. Denn diese Städter und Bauern, die eines Tages auch die Waffen trugen, fühlten sich mehr als Landsleute denn als Soldaten; ihre Interessen waren die ihrer Heimath, ihrer Angehörigen, ihres Besitzes; sie waren von denselben Gesinnungen erfüllt wie die übrige Bevölkerung und den Einflüssen der Bischöfe leicht zugänglich. An Gehorsam nicht gewöhnt, waren sie schwerlich bereit, einem Befehl zu gehorchen, der ihren landsmannschaftlichen oder religiösen Gefühlen zuwiderlief.

Die kaiserliche Regierung gab sich zuweilen keiner Täuschung über die Unzuverlässigkeit der Italienischen Bürgerwehren hin[1], aber öfter vergass sie ihre militärischen Eigenschaften und ertheilte Befehle, wie sie zwar den überkommenen Traditionen des einst so mächtigen Militärstaates, aber nicht den neuen Verhältnissen entsprachen. Sie überschätzte auch die Bedeutung der militärischen Einheit. Wohl stand die gesammte Streitmacht Italiens unter dem Befehl des Exarchen[2], aber die Pflicht, sich von einem einzigen Willen commandiren zu lassen, machte die Contingente der städtischen Milizen noch nicht zu einem innerlich einheitlichen Heere. Auf diese Weise schwand dem Römischen Reiche die einzige Stütze, auf die es noch vertraut hatte: der Zwang durch die Waffen versagte, die Sicherheit des militärischen Uebergewichtes im eigenen Lande war verloren.

    damals oft rückständigen Sold zu fordern, so dass sie auch ihrerseits ihre Pflichten schlecht erfüllten, daselbst II, 45. IX, 240. Vita Severini c. 1. Die auch felddienstpflichtigen Bürger- und Bauernheere kommen im Liber pontificalis häufig vor, am häufigsten gemäss dieser Quelle in Rom, so z. B. Vita Benedicti II. c. 3, Cononis c. 1. 2, Sergii c. 2. 3. 7–9, Johannis VI. c. 1, Gregorii II. c. 7. 23, Zachariae c. 2, Stephani II. c. 19. In Rom lag gegen Ende des 6. Jahrhunderts noch keine Garnison, 599 stand dort eine geringe Truppenzahl, Pelagius II. 584, Migne 72, 704. Gregor I., Reg. II, 46. V, 36. VIII, 22. IX, 240. Bald darauf gab es dort eine grössere Garnison, Liber diurnus 60. 61. 63.

  1. Schon um 650 Vita Martini c. 4. 5.
  2. Dem Exarchen spricht noch die Passio Martini zu „praecipue brachium universae militiae Italicae“, Migne 87, 114. Er ernannte die höheren Befehlshaber, auch noch die Tribunen Gregor I., Reg. IX, 205. Vita Cononis c. 5. Vita Constantini c. 10.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_309.jpg&oldid=- (Version vom 15.5.2023)