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ins Schwanken. Jedenfalls wird, wer den Anfang seiner Rettung der Templer gelesen, über deren Schluss einigermassen erstaunt sein, denn da werden Verirrungen als vorgekommen, ja als üblich eingeräumt, die mit seinen sonstigen Lobeserhebungen und namentlich mit der Behauptung von der ungeminderten Geltung der Regel von Troyes völlig unvereinbar sind. Von den dem Orden vorgeworfenen Unsittlichkeiten meint er (S. 508) manche, selbst die Sodomiterei als begründet anerkennen zu müssen; namentlich im Verkehr mit dem weiblichen Geschlecht scheine arge Laxheit geherrscht zu haben. Selbst die schmutzigen Küsse sind nicht ganz zu bestreiten, ja „sie lassen sich“ – hier folgt er nun Lea – „zum Theil auch nicht allzu schwer begreifen als Ausgeburten einer etwas verrohten Soldateska, wo zudem der Hochmuth der ritterlichen Elemente, über welchen vielfach geklagt wird, gegenüber den vielen niederen Verwaltungsbeamten, die mit jenen doch ein Gelübde haben und den Bruderkuss tauschen sollten, zu mancher Verhöhnung dieser Brüderlichkeit geführt haben mag“. Auch von häretischen Dingen kann, wie Gmelin schliesslich zugibt, „aus Frivolität manches vorgekommen sein, z. B. Bespeiung oder sonstige Misshandlung des Kreuzes, auffallende frivole Redensarten in der Opposition und im Aerger über die übernommenen religiösen Pflichten, die offenbar vielen sehr lästig fielen“.

Diese principiellen Zugeständnisse werden dadurch nicht entkräftet, dass die in dem Process vorkommenden einzelnen Fälle zum Theil als unglaubwürdig angefochten werden. Sie räumen in Bezug auf die Entartung des Ordens in mehr als einer Richtung viel mehr ein, als mit der Behauptung völliger Unschuld desselben irgend vereinbar ist. Höchstens der Grad der Verschuldung kann darnach noch streitig sein. Damit aber ist bereits für die Beurtheilung des Verfahrens, dem der Orden erlag, und des Antheils sowohl Clemens’ V. wie Philipp’s des Schönen daran ein ganz anderer Boden gewonnen als der, auf dem Lea und Gmelin stehen zu müssen meinen, und die Frage zum mindesten im Sinne der Unschuld des Ordens noch nicht gelöst.



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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_275.jpg&oldid=- (Version vom 13.5.2023)