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Folter verwerfen. Sie legen dabei namentlich auch darauf Gewicht, dass bei dem Inquisitionsprocess eine Aufzeichnung aller von dem Angeklagten gemachten Aussagen nicht üblich war, sondern nur diejenigen schriftlich festgehalten wurden, die dem Inquisitor oder seinen Beauftragten wichtig schienen. Aber auch wer das alles zugibt, braucht eben darum doch noch nicht zur Verwerfung dieses ganzen Materials zu kommen. Sollten bei einem Inquisitionsverfahren, wie diesem, das sich in verschiedenen Stadien vollzogen hat und an dem doch auch Männer betheiligt gewesen sind, denen selbst Gmelin das Zeugniss der Unparteilichkeit und des Wohlwollens gegen die Angeklagten nicht versagen kann, wirklich alle wie auf geheime Verabredung auf ein und dasselbe Ziel hingearbeitet haben und überhaupt nur unwahre Aussagen gemacht sein?

In einem gewöhnlichen Inquisitionsprocess, wo es sich um einige wenige Diffamirte handelte und nur ein kleiner Kreis von Inquirenten mitwirkte, da war es wohl möglich und vielleicht nicht allzu schwer, einen Unschuldigen durch die Folter zum Bekenntniss und dann durch die Furcht vor dem, was auf dem Widerruf desselben stand, zum Beharren dabei zu bringen: aber so viele Hunderte von Angeklagten des verschiedensten Standes, der verschiedensten Bildung und der verschiedensten Vergangenheit zum Eingeständniss von Verirrungen, die von sich aus zu erfinden es einer ganz wunderlich abirrenden Phantasie bedurft hätte, zu vermögen, und zwar so, dass schliesslich in den wichtigsten Punkten eine völlig ungezwungen erscheinende Uebereinstimmung herrschte, – solche Verschuldung aus so vielen Hunderten von Angeklagten herauszuinquiriren, die sich thatsächlich gar keiner Schuld bewusst gewesen wären, sondern von alledem erst durch die Anklage selbst Kenntniss erhalten hätten, das wird auch dem unmöglich erscheinen, der sich von der Fertigkeit der Inquisition in der Ueberführung Diffamirter die allergewaltigsten Vorstellungen macht! Aus dem Nichts solche Schuldbekenntnisse hervorzuzaubern, trauen wir selbst einem Wilhelm Imbert und Genossen nicht zu.

Denkbar ist, dass unter den Schrecknissen des Inquisitionsverfahrens Verirrungen, deren ein Theil der Ordensbrüder sich schuldig gemacht, auch von solchen, die davon frei waren und sie bloss vom Hörensagen kannten, als von ihnen getheilt

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_268.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)