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geistlichen Ritterorden eine Ausnahme begründet, vielmehr seien auch diese dem Einschreiten der Glaubenswächter jeder Zeit schutzlos preisgegeben gewesen. Das soll, wenn wir auch keinen Erlass haben, der sie ausdrücklich der Inquisition unterwarf, schon folgen aus der allgemeinen Aufhebung aller Exemtionen durch das Decret von Verona vom Jahre 1184. Die Frage ist für den Templerprocess von fundamentaler Wichtigkeit. Ist die These Gmelin’s und Lea’s richtig, so war das Einschreiten des Inquisitors Wilhelm Imbert gegen die Orden in Frankreich vom Standpunkte des einmal geltenden Rechts aus unanfechtbar. Wie entscheidend das für die Beurtheilung sowohl Clemens’ V. wie Philipp’s des Schönen in die Wagschale fällt, liegt auf der Hand: war die Inquisition zum Vorgehen befugt, dann war des Papstes wiederholt erhobener Anspruch, er allein sei berechtigt, den Orden abzuurtheilen, nicht begründet, und man würde darin nur einen Versuch zu sehen haben, die stolze Genossenschaft, die sich um den Römischen Stuhl Verdienste genug erworben hatte, vor dem drohenden Verhängniss zu retten. War die päpstliche Forderung berechtigt, so wird die Art, wie Clemens V., nach einigem Sträuben zwar, sich dem Vorgehen des Französischen Inquisitors und des Französischen Königs anschliesst, in Bezug sowohl auf ihre Bedeutung wie auf ihre Motive doch anders zu betrachten sein als unter jener Voraussetzung.

Nun heisst es ja allerdings in dem von Lea, I, S. 313 ff., angezogenen Veroneser Decret von 1184, das man als den Ausgangspunkt für die Organisation der Inquisition anzusehen pflegt: Praesenti nihilominus ordinatione sancimus, ut quicunque manifeste fuerint in haeresi deprehensi, si clericus est vel cuiuslibet religionis obumbratione fuscatus, totius ecclesiastici ordinis praerogativa nudetur – et secularis relinquatur arbitrio potestatis. Es mag dahingestellt bleiben, ob der dem clericus entgegengesetzte cuiuslibet religionis obumbratione fuscatus ohne Weiteres auch auf die Ritterorden zu deuten und nicht vielmehr bloss auf die geistlichen Orden zu beziehen ist, und ebenso, ob diese für die 1184 geplante bischöfliche Inquisition erlassene Bestimmung auch für die spätere, doch wesentlich anders geartete gegolten haben muss. Jedenfalls gibt Lea, S. 314 und 322, selbst zu, dass das Decret von Verona thatsächlich nicht in Kraft getreten ist. Auch lässt – abweichend von seinem

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_256.jpg&oldid=- (Version vom 13.5.2023)