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hätte Reuter das ganze Material gründlicher kennen gelernt, so würde er wohl zu einem anderen Ergebniss gekommen sein.

Noch überraschender ist die Art, wie (S. 14 Anmerkg.) Ranke’s Autorität abgethan wird, indem seine Behauptung von dem Vorhandensein eines häretischen Zuges bei den Templern[1] einmal dem Mangel an Kenntniss des vollen Materials entsprungen sein soll, dann aber wörtlich fortgefahren wird: „Als tieferer Grund erscheint uns allerdings auch bei Ranke ein gewisser Mangel in Bezug auf das Verständniss des religiösen Factors; auch bei ihm verbirgt sich nicht, dass er eben in erster Linie Profanhistoriker ist, dagegen mit der Kirchengeschichte von Hause aus weniger vertraut“. Das ist jedenfalls ein neues Urtheil über den Altmeister unserer Wissenschaft, in dem wir den Geschichtschreiber nicht bloss der Deutschen Reformation, sondern auch der Päpste bewundern, und der sein Lebenswerk krönte mit einer vorzugsweise der Entwicklung des religiösen Gedankens nachgehenden Weltgeschichte grösster Conception. Auch ihm gegenüber wird also auf das Vorrecht des Theologen, der seine kirchengeschichtlichen Collegien hörte, gepocht, ähnlich wie Gmelin anderer Leute Auffassung widerlegt zu haben glaubt durch die Behauptung ihrer Unfähigkeit, „sich wirklich auf den Boden der mittelalterlich-kirchlichen Auffassung zu stellen“ (S. 145). Das ist freilich immer noch milder, als wenn er (S. 261) eine gegnerische Ansicht dadurch beseitigt, dass er auf ihre Erörterung verzichten zu müssen erklärt, weil die bisher von ihm vorgebrachten „Gründe für jeden vernünftigen und rechtlichen Menschen genügen“ müssen, den noch nicht Ueberzeugten also diese beiden Eigenschaften höflicher Weise abspricht. Trifft hier nicht genau das zu, was ich über die neuerdings Mode gewordene Art der Kritik und Polemik bemerkte?

Aber noch eine andere Seite der Gmelin’schen Kritik und Polemik muss vor dem Eintritt in die sachliche Discussion hier durch ein paar Beispiele gekennzeichnet werden. Der Wiedergabe meiner beiden Arbeiten über den Templerorden erklärt Gmelin desshalb so grossen Raum zugestanden zu haben (S. IV), um mir „so viel als möglich Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und

  1. Weltgeschichte VIII S. 621 f.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_251.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)