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Kritik nur allzu oft hinaus auf ein kleinliches Eifern um Nebendinge und weiterhin auf ein Schelten oder gar Schmähen des Gegners und kommt damit, wie gewisse Vorgänge gelehrt haben, leicht in einer Weise auf das persönliche Gebiet, welche die Ausfechtung des wissenschaftlichen Streites mit den üblichen literarischen Waffen unmöglich macht, während es bisher doch noch an einer Instanz fehlt, welche als berufen und berechtigt anerkannt wäre, solche Verletzungen der guten literarischen Sitte und der wissenschaftlichen Würde in die gebührenden Schranken zurückzuweisen. Diese Erscheinung ist um so unerfreulicher, als natürlich diejenigen, welche in diesen Ton nicht einstimmen, den ausserhalb Stehenden als Vertreter der minder berechtigten Sache erscheinen. Ich stehe mit der Ansicht wohl kaum allein, dass wir alle zusammenwirken sollten, um diesem Unwesen, das nicht bloss einzelne Fachgenossen, sondern das ganze Fach in den Augen der Gebildeten herabsetzt, nach Kräften zu steuern.

Insbesondere ist es Sache der akademischen Lehrer, ihre Schüler zur Beobachtung der guten alten Sitte einer persönliche Ausfälle meidenden sachlichen Discussion anzuleiten und zu gewöhnen. Dazu müssen sie es freilich zunächst als ein Gebot der Selbstachtung erkennen, auch bei verfehlten oder minder gelungenen Arbeiten die redliche Absicht und das ehrliche Streben des Verfassers nicht leichtfertig anzuzweifeln und damit die literarische Discussion alsbald auf das sittliche Gebiet hinüberzuspielen. Wer einem historischen Seminar vorsteht oder historische Uebungen leitet, kommt ja oft genug in die Lage, begabtere oder strebsamere Schüler zu den ersten Versuchen in eigener Forschung und literarischer Production anzuregen, indem er sie zur kritischen Prüfung einer neu erschienenen Specialarbeit veranlasst. Ich habe es mir dabei zum Gesetz gemacht, die Herren dazu anzuhalten, dass sie sich zunächst darüber klar werden und auch bestimmt davon Rechenschaft geben, was sie ihrerseits aus der zu[WS 1] kritisirenden Arbeit gelernt haben; erst auf Grund der so gewonnenen Einsicht in das eigene Vermögen sollen sie ihre Einwände erheben und ihre Berichtigungen vorbringen. Statt dessen suchen heute nicht selten gerade jugendliche Kritiker in ihrer Freude über die eben gewonnene Herrschaft über ein engumgrenztes Specialgebiet durch recht rücksichtslose Behandlung älterer Fachgenossen sich gewissermassen die Sporen zu verdienen. Das ist schon

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: zur
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_247.jpg&oldid=- (Version vom 13.5.2023)