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im Laufe von neun Jahren fortgesetzter Forschung modificirt habe, indem ich in meiner 1879 erschienenen „Geheimlehre“, welche zunächst durch eine Untersuchung der eben von Merzdorf veröffentlichten gefälschten templerischen Geheimstatuten veranlasst war, im Anschluss an Loiseleur, La doctrine secrète des Templiers[1], die Existenz einer templerischen Geheimlehre (katharischen Ursprungs und luciferianischer Färbung) zu erweisen suchte, späterhin aber auf Grund des inzwischen beträchtlich vermehrten Materials diese Ansicht zwar fallen liess, jedoch im Gegensatz zu Schottmüller daran festhielt, dass in dem Orden höchst anstössige und für die Kirche durchaus unduldbare Bräuche, insbesondere die Abnegation und die Entweihung des Kreuzes, sowie arge Zuchtlosigkeit anderer Art geherrscht haben, und das zu erklären suchte aus dem Gegensatz, in den der Orden einmal im Osten durch den unglücklichen Ausgang der Kreuzzüge, und dann im Westen durch albigensische Einflüsse zu der orthodoxen Papstkirche gerathen war.

Selbst wer Süddeutscher Lebhaftigkeit und Schwäbischer Derbheit viel zu Gute hält, wird doch überrascht sein durch den in wissenschaftlichen Werken bisher kaum erhörten Ton, den Gmelin in dieser Polemik anschlägt. Er klagt, meine Arbeiten seien im Vergleich mit dem Schottmüller’schen Buche viel zu günstig recensirt und parteiisch geschont worden (wofür er sich doch nicht an mich, sondern Loserth, Langlois u. s. w. zu halten hätte) und erachtet desshalb eine durch ihn zu vollziehende „gründliche Zurechtweisung“ nicht bloss für „eine Pflicht der Wahrheit und Gerechtigkeit“ (S. 11), sondern es scheint ihm auch eine Lösung der Frage nach der Schuld oder Unschuld der Templer so lange unmöglich, als man mir „noch so viel Ehre anthut, wie dermalen geschieht“, „so lange man meine Aufstellungen noch so ernsthaft nimmt, und eben damit ihnen noch so viel Berechtigung oder auch nur den »Schein des Rechten« zugesteht, als von mancher Seite jetzt noch der Fall ist“. Macht er dann den Vertretern einer Schuld des Ordens überhaupt die „unverantwortliche Weise“ zum Vorwurf, in der sie verfahren seien, und rügt er die Luftigkeit und die Widersprüche der von ihnen construirten Gebäude, so meint er doch (S. 11) „nicht leicht einen dankbareren

  1. Paris u. Orléans. 1872.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_245.jpg&oldid=- (Version vom 13.5.2023)