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1060, begegnet uns nun Hildebrand in auffallenden Beziehungen zu St. Paul. Am 25. August 1059 heisst er sancti Pauli prepositus[1]. Der Titel hat hier schwerlich den technischen Sinn „Propst“, denn die Pröpste der Benedictiner Italiens hatten nun – wenn ich nicht irre – zumeist den Prioren ihren Platz eingeräumt, namentlich auch in St. Paul[2]. So möchte „praepositus“ lediglich „Vorgesetzter“ bedeuten. War aber damals nicht Airard Abt von St. Paul? Ja noch mehr: am 1. December desselben Jahres heisst Hildebrand geradezu abbas de monasterio sancti Pauli[3]. Also wären er und zugleich Airard Aebte von St. Paul gewesen. Wie lösen wir den Widerspruch?

Die beiden Urkunden sind nicht aus einer Römischen Kanzlei hervorgegangen[4]; zwei Notare, die über Hildebrand’s Stellung kaum genauer unterrichtet waren, haben sie in Melfi und in Florenz geschrieben. Nur so viel möchte ich aus den Titeln schliessen, dass Hildebrand eigentlicher Leiter des Klosters war. So nannte ihn der eine Schreiber frischweg „Abt“, der andere wählte die dehnbarere Bezeichnung: „Vorgesetzter“. Dazu passt nun aber recht gut, dass es von demselben Leo IX., der den Abt Airard nach Nantes beförderte, im Papstbuch heisst, er habe Hildebrand das Kloster St. Paul übertragen ad regendum[5]. Nicht minder stimmt die Angabe Paul’s von Bernried[6] mit meiner Ausführung überein: [Hildebrandus a Leone papa] monasterio sancti Pauli miserabiliter desolato prelatus est. Ihr entspricht dann

  1. Pflugk-Harttung, Iter Ital. 419 Nr. 36.
  2. ut nullus unquam sancti Pauli abbas, prior vel monachus etc. J.-L. 4594.
  3. Muratori, Ant. Ital. VI, 227 und besser bei Pflugk-Harttung, Iter 422 Nr. 38. Das Jahr 1060 ist nach dem Stile der Pisaner berechnet. Wenn auch die Urkunde in Florenz ausgestellt wurde, so braucht doch nicht auf Florentiner Art gezählt zu sein: der Empfänger war Bischof von Volterra. Uebrigens hat Nikolaus II., in dessen Gegenwart das betreffende Rechtsgeschäft zum Abschluss kam, von Anfang November 1059 bis über das Ende des Jahres in Florenz geweilt; ferner entspricht die 13. Indiction dem 1. December 1059. Darnach haben denn auch J.-L. S. 516, Pflugk-Harttung a. a. O. und Andere 1059 angenommen.
  4. Die erste haben Martens und Greving übersehen, die zweite S. 8 und S. 23 für unecht erklärt: ihnen entging, dass Pflugk-Harttung a. a. O. sie nach dem Original veröffentlicht hat.
  5. Lib. pont. ed. Duchesne II, 275.
  6. Vita Greg. c. 13 ap. Watterich I, 478.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_229.jpg&oldid=- (Version vom 12.5.2023)