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in dem die alte Geschichte zu lehren sei, suchte man nicht gleichmässig genau abzugrenzen, sondern im wesentlichen nur nach zwei Richtungen hin zu bestimmen: gegenüber der altorientalischen Geschichte und gegenüber der Griechischen Kunst. Zu den Ausdehnungsbestrebungen, die sich in beiden Punkten geltend machten, nahm die Versammlung das eine mal eine entschieden ablehnende, das andere mal eine ziemlich entgegenkommende Haltung ein.

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Was zunächst die Meinungsverschiedenheit über die Behandlung der altorientalischen Geschichte anlangte, so wollte der 2. Referent, Dir. Hannak, ihr eine gewisse selbständige Bedeutung zuerkannt wissen und beantragte in diesem Sinne die These: „Ein Cursus der altorientalischen Geschichte, bei dem die Cultur dieser Völker besonders hervorgehoben wird, ist auf beiden Stufen des Gymnasialunterrichts der Geschichte der classischen Völker vorauszuschicken“. Schon der 1. Referent, Dir. Jäger, vertrat dagegen die Meinung, dass die Orientalische Geschichte möglichst einzuschränken sei, und Dir. Kämmel hatte in diesem Sinne der Hannak’schen These eine andere entgegengestellt: „Die Geschichte der altorientalischen Völker ist nur insoweit, und zwar in enger Verbindung mit der Griechischen Geschichte, zu behandeln, als sie die Gestaltung des Persischen Reiches vorbereitet hat“. Etwa in dem Umfange, wie bei Herodot, meinte Dir. Kämmel, sei der Orient zu berücksichtigen. In ähnlichem Sinne sprachen sich die meisten Redner aus. Dir. Hannak gab schliesslich seine These selbst auf, und die These Dir. Kämmel’s gelangte fast einstimmig zur Annahme.

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Die zweite Streitfrage war, wie weit die Culturgeschichte und insbesondere die Griechische Kunst im Rahmen der alten Geschichte eine besondere Pflege finden könne. Dir. Hannak hatte folgende These vorgeschlagen: „Die ästhetische Erziehung fordert, dass auch die Leistungen der Griechen auf dem Gebiete der bildenden Künste an der Hand geeigneter Anschauungsmittel als wichtiger Bestandtheil der Culturgeschichte der Jugend vorgeführt und der hierin vorwaltende Sagenstoff auf beiden Stufen des Gymnasiums berücksichtigt werde“. In der Debatte traten Meinungsverschiedenheiten darüber hervor, in welchem Umfang und in welcher Art die Kunstentwicklung zu beachten sei. Im allgemeinen schien die Ansicht vorzuherrschen, dass man sich auf eine eingehende und gesonderte Behandlung der Kunst-G. nicht einlassen dürfe und die künstlerischen Schöpfungen nur im nächsten Zusammenhange mit der allgemeinen Geschichte vorführen könne. Sehr lebhaft trat für eine mehr methodische Beachtung der Griechischen Kunst Prof. Herrlich (aus Berlin) ein. (Gewisse typische Erscheinungen, die Gipfelpunkte der Entwicklung wollte er näher behandelt haben; für Anschauungsmittel müsse mehr geschehen. Eine Anregung, auch die Römische Kunst zu erwähnen, wurde abgewiesen. Beanstandet wurde in der Hannak’schen These die Bezugnahme auf ästhetische Erziehung, und Dr. Liesegang (aus Berlin) gab deshalb der These eine neue Form, die der Referent acceptirte. Besonderen Widerstand aber fand die Hineinziehung der Sagen in diesen Zusammenhang; man stimmte deshalb über zwei Theile der These besonders ab. Der Anfang wurde gegen einige Stimmen angenommen, der Schluss mit etwa Zweidrittelmehrheit abgelehnt. Die angenommene

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_190.jpg&oldid=- (Version vom 10.5.2023)