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aber in etwas längerer Zeit. Dies ward verworffen, denn der Kaiser sieht nur darauf, dass die Geschäfte geschwind gemacht werden; ob sie dann gut und zwekmässig ausfallen, das kömmt wenig in Betrachtung. – Bey der Drohung, dass der erste Schuss der Holländer auf das Schiff, das die Schelde hinunter gieng, für eine Kriegserklärung aufgenohmen werden sollte, machte ihm Kauniz den Einwurf: aber wenn sie nun schiessen, was wollen Euer Majestät dann machen? „Ah! ils ne tireront pas!“ antwortete der Kaiser lächelnd. – „Mais supposons pour un moment qu’ils tireront, qu’est ce qu’il y aura à faire?“ – Mit ernsthafterm Thon erwiederte der Kaiser: „Je dis, qu’ils ne tireront pas!“ – und damit war die Berathung zu Ende. – Auf erhaltene Nachricht, dass die Holländer wirklich geschossen hätten, schrieb Kauniz, wie bekannt, dem Kaiser folgendes lakonische Billet: „Sire! – on a tiré. – Kauniz Riettberg“. – Diese unvermuthete Wendung der Geschichte brachte den Kaiser ganz und gar aus der Fassung; er verlor den Kopf, lieff zum Kauniz, und sagte, nun wolle er auf der Stelle nach Versailles reisen, um den dortigen Hof in sein Interesse zu ziehen. Kauniz machte ihm Vorstellungen gegen diesen übereilten Entschluss, wodurch er seine Blösse der ganzen vernünftigen Welt deutlich zeigen würde; und diese, fügte er bey, werde eine solche Reise als den pendant der Reise des Pabsts nach Wien ansehen. – Dieser gute Einfall machte den Kaiser stuzig, seine Ehrbegierde ward wieder wach, und er liess sein Projekt fahren. – Die Kriegsrüstungen, die er bey diesem holländschen Handel machte, kosteten ihn grosse Summen; nur allein bey dem Verkauff des Magazins, das er bey Heilbronn angelegt hatte, verlor er 4 Millionen.

Ueberhaupt zeigen verschiedne Anekdoten, dass der Kaiser im Grund poltron ist; und seine Herzhaftigkeit nur von Ueberlegung und Vorsaz herkommt, oder dann unüberlegte Tollkühnheit ist.

Da er im letzten Bayerschen Krieg der anrükenden Preussischen Armee entgegen gieng, und seine ganze Infanterie noch weit zurük war, wollte er bloss mit der bey sich habenden Cavallerie auf ein feindliches Corps losgehen, von dem sie ohne Fehl sogleich wäre in Stüken gehauen worden. Alle seine bessten Offiziers stellten ihm die Unvorsichtigkeit dieses Unternehmens vor, und mussten ihn fast fussfällig bitten, davon abzulassen, ehe er es aufgab[1].

  1. An einer andern Stelle heisst es: „Der Kaiser giebt sich mit kommandiren gar nicht ab, sondern postirt sich gewöhnlich auf den Flügel zwischen die beyden Corps, und sieht da ruhig zu, mit seiner Suite von 2 Polnischen Gardisten und einigen Offiziers; und dennoch will er in seinem äusserlichen ganz auffallend den Friedrich von Preussen nachahmen, er sizt mit vorgebücktem Kopf auf seinem Pferd, mit tief in die Stirne gedrüktem
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_169.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2023)