Seite:De DZfG 1894 11 168.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Der unglükliche Szekely verbat sich die Stelle eines Zahlmeisters der Ungarschen Garde, weil er diess Geschäft nicht verstand, und sint vielen Jahren von seinem Vorgänger keine Rechnung mehr abgelegt war; ja nicht einmal da – als er die Casse von demselben übernahm, – ward die geringste Untersuchung weder vorgenohmen noch verlangt. – Mit einmal zeigt der unglükliche Mann selbst dem Kaiser ein beträchtliches Deficit von 90 000 fl. an. – Der Kriegsrath muss die Sache untersuchen, und verurtheilt den Szekeli zu 8jährigem Festungsarrest (nicht weil er als schuldig überwiesen war, sondern bloss weil das Deficit unter seiner Administration sich gezeigt hatte). Diese Straffe ist von gar zu langer Dauer für den alten Greisen, sprach der sanfte Kaiser, er kann sie nicht ausdauern, und veränderte sie in 4jährigen Festungsarrest, und 3 Tage hinter einander (jedesmal 2 Stunden) auf der Schandbühne zu stehen. – So ward die Zeit des Arrests verkürzt, aber die Schande für ihn und seine Familie vermehrt, und er dem Gespött des Pöbels ausgesezt, und aufs stärkste gedemüthigt.

Ein Mensch, den sein Gewissen folterte, weil er einem andern unrecht gethan zu haben glaubte, wollte sich die Gurgel abschneiden, das Federmesser brach, man überraschte ihn, und er ward auf allerhöchsten Befehl ohne Umstände ins Tollhaus unter die Narren geführt, damit er nicht von seiner Melancholie geheilt, sondern vollkommen rasend werden soll.

Zuweilen macht der Kaiser Efforts von Herzhaftigkeit, die der Welt die Augen blenden, und sie glauben machen, er besize diese Eigenschaft in vollem Maass. Im Grund aber ists nicht Herzhaftigkeit, sondern bloss Grosshanserey; er bravirt die Gefahren, weil er glaubt, dass er als Kaiser alles durchzusezen im Stand seye. Da das erste Kloster in Wien aufgehoben ward, ritt er den Tag einige mal durch die ganze Stadt, und zeigte sich überall. – Seine Reise nach Rom beweist, dass er – oder seine Rathgeber, – das Volk von dieser Statt kannten, welches jeden lieb und werth hat, der brav Geld links und rechts verschenkt; und dass sie ihm helfen würden den Pabst aus der Stadt jagen (der dort kein so fürchterliches Thier ist, wie in dem entfernten Deutschland) wenn nur der nervus rerum im Ueberfluss vorhanden ist; und diese Maxime des Geldausspendens befolgte der Kaiser treulich, um das Volk für sich einzunehmen.

In Russland bewürkte Joseph durch Austheilung einiger Millionen an den gehörigen Orten die grosse Revolution, wodurch Repnin zurükberuffen, und das ganze Ministerium geändert ward.

Der Gang der Holländschen Affaire war ganz seine eigne Idee. Kauniz versprach ihm das Projekt weit sichrer und vollständiger auszuführen,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_168.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2023)