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des damaligen Aldenburger Klerus Abneigung gegen das Erzbisthum Bremen deutlich erkennbaren Antheil an diesen Erfindungen gehabt habe[1].

Auf dem durch die letzte Bemerkung Dehio’s bereits angedeuteten Wege ist dann Schirren[2] in seinem Versuch „den bis dahin arglos verehrten Pfarrer von Bosau plötzlich als einen abgefeimten Spitzbuben darzustellen“[3], weiter fortgeschritten. Schirren glaubt nicht an eine Sage, die Helmold vorgefunden und wiedergegeben habe, die vielleicht durch einen Abschreibefehler – „Marco“ für „marchio“ – entstanden sei; er meint, Helmold selbst habe den Bischof Marco zwar „nicht völlig aus der Luft gegriffen“, aber doch „erdichtet“. Gerade was Lappenberg ablehnte, die Heranziehung des von Adam erwähnten Dänenbischofs Merka, schien ihm durchaus geboten; seiner habe Helmold sich „als herrenlosen Gutes“ bemächtigt, um sich, wenn Einwendungen gegen seinen erfundenen Marco erhoben werden sollten, durch eine Berufung auf Adam rechtfertigen zu können. So wird die Erwähnung Marco’s in Schirren’s Darstellung ein wichtiger Artikel in der umfangreichen Anklageacte, die Helmold wegen bewusster Geschichtsfälschung vor den Gerichtshof der modernen Quellenkritik citirt und auf Grund deren sogleich das Urtheil gesprochen wird.

Dass diese Quellenkritik, so scharfsinnig sie gehandhabt worden ist, in unserem Falle sich nicht bewährt hat, ist heute wohl allgemein anerkannt: der Ruhm, den Angriff gegen die Gutgläubigkeit Helmold’s, soweit es sich um unseren Marco handelt, erfolgreich abgeschlagen zu haben, gebührt dem auch sonst um die Geschichte des Deutschen Nordostens verdienten Mecklenburger Forscher F. Wigger[4]. Indem Wigger die schon von Lappenberg[5] erwähnten, aber nicht ausreichend berücksichtigten Nachrichten des Ordo Sleswicensium episcoporum aus dem 11. Jahrhundert[6] und des Saxo Grammaticus[7]

  1. Dehio’s Buch ist auf dem Titelblatt als 1877, dasjenige Schirren’s, von dem wir gleich reden, als 1876 erschienen bezeichnet. Allein Dehio kennt Schirren noch nicht.
  2. Beiträge zur Kritik älterer Holst. Geschichtsquellen S. 56 ff.
  3. Worte Wattenbach’s in der neuen Ausgabe von Lappenberg’s Uebersetzung des Helmold (Geschichtschr. der Deutschen Vorzeit XII. Jahrh. Bd. 7. 2. Aufl. Leipz. 1888) S. XI.
  4. Jahrb. des Vereins f. Mecklenb. Gesch. Bd. 42 (1877) Anlagen S. 27 ff.
  5. a. a. O. S. 398.
  6. Mon. Germ. SS. 7, 392. 13, 349.
  7. Gesta Danorum lib. X, jetzt SS. 29, 65. Hier wird Anm. 4 wohl mit Recht angenommen, dass Saxo’s Quelle an dieser Stelle die Hist. Danorum Roskildensis SS. 29, 23 sei; heisst unser Bischof bei Saxo „Marcus“, so finden wir in der Dänengeschichte von Roeskilde die richtigere Form „Marco“.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_156.jpg&oldid=- (Version vom 8.5.2023)