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dieser Friede in’s Wanken gerieth, und das Bewusstsein, welches furchtbare Sprengmittel man mit dem Schlachtruf der Autonomie der Hellenen in Händen hielt, hat schliesslich am Eurotas gewiss die Wagschale mit zu Gunsten des Krieges gesenkt. Der losere Spartanische Bund hatte für den föderativen Grundzug des Hellenischen Volkscharakters etwas Anziehenderes als die straffe Organisation des Athenischen Reichs. Aber freilich: Sparta, dessen Symmachie sich auf den Peloponnes beschränkte, der ihm fast zu 2/5 gehörte, konnte seinen Bundesgenossen die Autonomie belassen, da es ihrer ohnehin sicher war. Athen, das die Wacht gegen Persien halten musste, dessen Reich weithin verzweigt war, musste ein strafferes Band um seine Bundesgenossen legen und sie zu Unterthanen machen. Mit einem Wort also, der Krieg war 431 nicht länger zu verschieben; es bleibt Perikles’ Ruhm, dass er nicht schwächlich verhandelte und zurückwich bis zum Rande des Abgrundes, sondern den Handschuh offen, ja gelassen aufnahm. Selbst wenn die Frage, wer in Megara Herr sein sollte, Sparta oder Athen, schliesslich den Hauptpunkt des Streits gebildet haben sollte, so wäre es doch auf alle Fälle nur ein Beweis dafür, dass die Gegner allmählich so aufeinander stiessen, dass ein Ausgleich auf friedlichem Wege nicht mehr möglich war.

Aber auch Perikles’ Kriegführung im Jahre 431 ist nicht ernsthaft anzufechten. Was hätte denn eigentlich so „sehr viel mehr“ geschehen sollen? Beloch setzt ja selbst auseinander, dass ein Drittel der Attischen Landmacht in Thrakien stand; ein weiteres Drittel musste doch mindestens in Attika zurückbleiben, das sonst von Theben aus schwer gefährdet war, und mit dem letzten Drittel hat Perikles genug geleistet: der Peloponnes und Megara wurden verheert, Kephallenia zum Anschluss an Athen bewogen, also eine weitere Station im Westen gewonnen, Sollion erstürmt und Aeginas Bewohner ausgetrieben. Es war eine schneidende Antwort auf die Forderungen der zweiten Spartanischen Gesandtschaft ertheilt: Megara, statt wieder zum Verkehr mit Athen zugelassen zu werden, war schwerer als je heimgesucht, und die Aegineten waren frei – wie die Vögel in der Luft. Beloch findet denn auch auf einmal S. 526 selbst: „Perikles hatte, alles in allem genommen, doch Ursache, mit den Ergebnissen dieses ersten Feldzuges nicht unzufrieden zu sein“. Ganz einverstanden: wozu aber dann vorher der Lärm, „dass im ersten Kriegsjahr sehr viel mehr hätte geschehen können“?

Beloch ist gewiss ein von grossen Gesichtspunkten ausgehender, geistvoller und kenntnissreicher Geschichtschreiber. Aber er ist in hohem Masse von der jetzt umgehenden Sucht angesteckt, die bisherigen Autoritäten zu stürzen, „die Mächtigen von ihren Thronen zu

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_150.jpg&oldid=- (Version vom 8.5.2023)