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fast 46 Jahre früher, war Spartas Losung, wenn es einen ebenbürtigen Gegner entwurzeln wollte, die Autonomie der Hellenen, die alle andern Bündnisse zertrümmerte, nur nicht das Peloponnesische. Beloch erwähnt freilich alle diese Forderungen Spartas auf S. 516 mit keiner Silbe, und so ist allerdings Perikles leicht verdammt. Angesichts der Politik Spartas lässt sich unseres Erachtens doch nur urtheilen, dass Perikles die Sachlage vollkommen richtig auffasste, wenn er seinen Mitbürgern den Rath gab, einem Feinde gegenüber, der hinter geringeren Forderungen nur grössere bereit hielt, der offenbar die Absicht hatte, Athen zu demüthigen und dann es zu vernichten – avilir et après démolir! – von vornherein fest zu bleiben und keinen Schritt breit nachzugeben – μὴ εἴκειν Πελοποννησίοις (I, 140)[1].

Auch Beloch erkennt S. 516 an, dass der Krieg zwischen beiden Mächten früher oder später unvermeidlich war: angesichts dieses Bekenntnisses muthet sein Suchen nach persönlichen Gründen, die Perikles’ Politik bestimmt hätten, nicht anders an, als das Bestreben, die Kriege Ludwig’s XIV. von dem unsymmetrisch gebauten Fenster in Trianon herzuleiten[2]. Wenn Perikles schliesslich von Beloch eigentlich nur noch der Vorwurf gemacht wird, dass er den Krieg nicht gerade in jenem Augenblick hätte herbeiführen sollen, wo Argos vertragsmässig zum Frieden mit Sparta verpflichtet und wo ein Drittel der Athenischen Landmacht vor Potidäa festgehalten war, so antworten wir darauf: war denn Perikles überhaupt in der Lage, den Zeitpunkt des Kriegs nach seinem Gutdünken zu wählen? Kann man denn verkennen, dass Sparta eben wegen dieser beiden Gründe, wegen Argos und Potidäa, ein kapitales Interesse hatte, es jetzt unter allen Umständen zum Bruch zu treiben? Und konnte denn Perikles jemals darauf rechnen, dass angesichts einer drohenden Verwicklung mit Sparta die Bundesgenossen alle ruhig bleiben würden? In jedem solchen Falle gingen, wenn man Mac Mahon’s Wort von 1873 vergleichsweise anwenden darf, die Chassepots von selber los; und was 432 Potidäa that, das that ein paar Jahre später vermuthlich Mytilene. Die inneren Feinde, die Athen mit Mühe bändigte, so lange es mit Sparta im Frieden lebte, erhoben sofort das Haupt, wenn

  1. Die Ansicht von den sogen. friedlichen Neigungen Spartas wird unseres Ermessens eben dadurch widerlegt, dass es nicht bloss auf die Megarische Sache sich beschränkte, sondern noch Härteres in Bereitschaft hatte.
  2. Nissen sagt dann auch S. 408, „dass diese Verleumdungen uns jetzt abgeschmackt klingen“ und sie nach 431 in Athen bloss desshalb Glauben finden konnten, weil man ein Opfer suchte, dem Athens Unglück aufgeladen werden sollte.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_149.jpg&oldid=- (Version vom 8.5.2023)