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das thun müsse; sie war ihnen durch die Lage des Reiches nahegelegt, ja fast aufgedrungen worden. Das Gedeihen oder Nichtgedeihen der neuen Einrichtung hing also wesentlich davon ab, ob das gemeinsame oder das Einzelinteresse stärker sein werde; und auch dafür waren nicht allein persönliche Bestrebungen oder Verwicklungen massgebend, sondern tiefer liegende Gründe.

Innerhalb des Kurcollegiums bildeten einen engeren Kreis die vier Rheinischen Kurfürsten. Ihre Gebiete lagen eng bei einander, so hatten sie viele gemeinsame Interessen. Aber lag der Schwerpunkt ihrer Stellung etwa in diesen Gebieten? Gewiss nicht; denn was war ein Erzbischof von Mainz, ja selbst ein Kurfürst von der Pfalz als Territorialherr? Es gab Fürsten genug, die über weit bedeutendere Gebiete verfügten, obwohl sie im Kurcollegium nicht vertreten waren. Für sie war vielmehr die Grundlage ihrer Machtstellung ihre Kurwürde mit den daran haftenden Rechten; jede Ausdehnung der kurfürstlichen Befugnisse befestigte die Stellung des Einzelnen; dafür liess sich eine etwas straffere Disciplin wohl ertragen.

Ganz anders bei den beiden östlichen Kurfürsten. Für den Markgrafen von Brandenburg und seit der Vereinigung der Wettinischen Marken mit den Askanischen Besitzungen auch für den Herzog von Sachsen war die Hauptquelle ihrer Macht ihr ausgedehntes Territorium; konnte es doch schon der erste Hohenzoller unternehmen, eine von Kaiser und Reich ganz unabhängige, nur von den Interessen seines Territoriums beeinflusste Politik zu treiben. Zu ihrer landesfürstlichen Stellung waren die kurfürstlichen Rechte eine werthvolle Zugabe, aber weiter nichts. Und nun wurde ihnen zugemuthet, eine Erweiterung dieser kurfürstlichen Rechte durch Einbusse an landesherrlicher Selbständigkeit zu erkaufen; sie sollten ihre Politik der Aufsicht ihrer Rheinischen Collegen unterstellen, für welche andere territoriale Interessen massgebend waren, und auch diese erst in zweiter Linie; jeden Augenblick konnten sie von diesen überstimmt werden und hatten sich dann zu fügen.

Es ist klar, wie sehr bei strenger Durchführung der Binger Beschlüsse die Rheinischen Kurfürsten gewonnen, die östlichen verloren haben würden. Aber warum haben sie sich denn auf den Bund überhaupt eingelassen? Weil sie beide augenblicklich

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_080.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2023)