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Dagegen sagen die Binger Briefe für den Wettiner[1]: „das wir als ein kurfurste mit wissen und willen anderer unser mitkurfursten denselben herrn Friderichen zu unserm mitkurfursten und in unser mitkurfursten rad ufgenomen und emphangen haben.“ Dass diese Zusätze keine zufälligen sind, folgt daraus, dass sie sich in allen fünf Briefen finden; sie beruhen also auf einem Beschluss des Collegiums. Die Einschiebung des ersten Passus ist eine directe Folge der eben vereinbarten Bestimmung, in allen Reichssachen nur gemeinsam zu handeln; die des zweiten zeigt, dass die Kurfürsten sich bewusst waren, der „Kurfürstenrath“ sei eine neue, bisher in dieser Weise nicht bestehende Vereinigung, in der der neue College noch ausdrücklich aufgenommen werden musste. Genau das, was wir oben als die in Bingen sanctionirte Neuerung nachwiesen, die Errichtung eines ständigen Kurfürstenrathes, sahen sie also selbst als ihre Neuschöpfung an; wozu hätten sie sonst jene Worte hinzugefügt?

Es wird also dabei bleiben müssen, dass die Kurfürsten in Bingen mit Bewusstsein eine Aenderung der Reichsverfassung anstrebten. Aber das Binger Programm kam in seiner ganzen Schärfe nicht zur Durchführung; erst wurde der Bündnisstext umgeändert, dann schien es sogar eine Zeit lang, als solle der ganze Bund aus einander fallen. Wodurch wurde diese Entwicklung bedingt, und wie kam es, dass sich die Bundesglieder doch so bald wieder zusammenfanden und thatsächlich grosse Erfolge erzielten? Das wollen wir jetzt noch untersuchen.


III.

Heuer meint, die Einigkeit unter den Kurfürsten sei von so kurzer Dauer gewesen, weil nicht eine gemeinsame Idee, sondern Privatinteressen ihren Bund veranlasst hätten; sobald diese andere Combinationen bedingten, fiel der Bund naturgemäss aus einander. Ich kann ihm darin nicht ganz Recht geben; denn eine gemeinsame Idee war allerdings vorhanden; verlangt doch gerade ihr Vertrag Unterordnung des Einzelnen unter die Gesammtheit der Verbündeten. Diese Idee war eben die, dass, wenn der König für das Reich nicht sorge, das Kurcollegium

  1. Dt. RTA VIII, Nr. 297.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_079.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2023)