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einen Angriff auf seine Rechte oder Besitzungen erfährt, und zur Beschlussfassung über alle Angelegenheiten, die das Reich, die Kirche oder die Kurfürsten als solche betreffen. Im ersteren Falle tritt bewaffnete Intervention aller für das angegriffene Bundesglied ein, sobald dieses sein Recht vor dem Collegium nachgewiesen hat; im letzteren wird ein gemeinsames Vorgehen aller in der betreffenden Angelegenheit festgesetzt. Als besondere Fälle, in denen alle gemeinsam den Anordnungen des Königs entgegenzutreten haben, werden vorgesehen: jeder Versuch des Königs, das Reich zu schmälern, oder einen Reichsvicar ohne vorherige Zustimmung des Kurcollegiums zu ernennen. Stirbt ein Kurfürst, so wird sein Nachfolger in die Vereinigung aufgenommen.

Dass die Gedanken eines Theiles der Kurfürsten noch bedeutend weiter gingen, ersehen wir daraus, dass im Juli 1424 auf der Mainzer Versammlung vorgeschlagen und, wie es scheint, anfangs beschlossen wurde[1], vom Könige eine schriftliche Erklärung zu verlangen, dass, falls er seinen Pflichten nicht in richtiger Weise nachkomme, die Kurfürsten berechtigt sein sollten, ihn darauf aufmerksam zu machen, und sich zu versorgen und zu bewahren, wie sie dem Reiche schuldig seien, falls der König sich dann nicht bessere. Mit dürren Worten wurde hier verlangt, der König solle ein Aufsichtsrecht des Kurcollegiums über seine Amtsführung und ein Recht der Gehorsamsaufkündigung anerkennen.

Solche Ansprüche erwachen nicht über Nacht; wer sie im Juli 1424 vertreten hat, dem werden sie auch im Januar nicht fremd gewesen sein. Erwägt man noch, dass die weitgehendsten Rechte, welche die Kurfürsten sich 1422 zu Nürnberg angemasst hatten, in das Binger Programm keine Aufnahme gefunden haben, so erkennt man, dass bereits diese schärfere Fassung der Bundesurkunde auf einem Compromiss zwischen radicaleren und gemässigteren Elementen innerhalb des Collegiums beruht.

Aber wenn auch die schärfere Tonart nicht durchdrang, die Binger Beschlüsse waren auch so weittragend genug. Es war bisher ein Vorrecht der einzelnen Kurfürsten gewesen, dass

  1. Instructionsentwurf Dt. RTA VIII Nr. 303; der betr. Artikel ist erst in den Text aufgenommen, dann durchstrichen. Vgl. unten S. 83 Anm.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_077.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2023)