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Gesammtheit ein Recht auf Mitregierung, ja, wenn der König abwesend war, auf selbständige Ausübung von Regierungshandlungen, beanspruchten. Aber, was sie praktisch ausübten, auch theoretisch zu formuliren, dazu hatte bisher ein Anlass gefehlt; er bot sich jetzt.


II.

Seit dem November 1422 war die Sächsische Kur erledigt; Sigmund hatte sie bereits dem Markgrafen Friedrich von Meissen zugesagt, aber Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg erhob als Agnat des ausgestorbenen Zweiges der Askanier Erbansprüche. Es war nun die Frage, ob die Kurfürsten zur Belehnung Friedrich’s mit Sachsen ihre Willebriefe geben würden oder nicht. Sie versammelten sich, alle fünf persönlich, im Januar 1424 zu Bingen, und hier erschienen auch die beiden Bewerber, um ihre Ansprüche vorzutragen.

Die Kurfürsten erkannten den Wettiner an; da sie aber wussten, dass dieser in nahen Beziehungen zu Sigmund stehe, so lag die Befürchtung nahe, er könne seine Betheiligung an den gegen König und Königthum gerichteten Bestrebungen versagen. Man musste ihn daher zu einer bindenden Erklärung verpflichten, dass er diese Bestrebungen unterstützen werde und musste die Abgabe dieser Erklärung zur Bedingung seiner Anerkennung machen. Es versteht sich von selbst, dass, bevor dies geschehen konnte, die Bestrebungen fest formulirt, ein Programm entworfen werden musste, auf das man jenen verpflichten konnte. Schon von dieser Erwägung aus muss man erwarten, in der zu Bingen vereinbarten Urkunde eine theoretische Feststellung der vom Kurcollegium in Bezug auf die Reichsregierung beanspruchten Rechte zu finden.

Der Wortlaut bestätigt diese Erwartung vollkommen. Aber nun tritt uns Lindner mit der eigenthümlichen Behauptung entgegen, dieser Wortlaut entspreche gar nicht den eigentlichen Absichten der Binger Contrahenten. Um das zu beweisen, geht er von der alten Beobachtung aus, dass bei der Abfassung eines Theiles der Urkunde der Bopparder Vertrag vom 11. April 1399 als Vorlage gedient hat; er behauptet nun, die aus dieser Vorlage entnommenen Artikel seien sinnlos abgeschrieben; so sei durch die sklavische Benutzung des älteren Vertrages gegen

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_071.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2023)