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kurfürstlichen Stellung; schien doch der König, indem er das Kurcollegium fast zum Beschützer, mindestens zum Bundesgenossen gegen den Papst anrief, dasselbe als eine gleichberechtigte Macht anerkannt zu haben.

Das grosse verfassungsgeschichtliche Ereigniss des 14. Jahrhunderts war das Zustandekommen der Goldenen Bulle; sehen wir uns nun die Stellung an, welche diese den Kurfürsten einräumte. Sie regelt genau das Verfahren bei der Königswahl, setzt den Kreis der Theilnehmer endgültig fest, gibt den einzelnen Kurfürsten manches wichtige Privilegium für die Ausgestaltung der Landeshoheit in ihren Territorien, aber sie weiss nichts davon, dass die einzelnen Kurfürsten oder das Collegium in anderer Weise wie die übrigen Fürsten bei der Reichsregierung mitzuwirken hätten; sogar das Institut der Willebriefe, das auch nach ihrem Erlass fortbestand, erwähnt sie mit keinem Worte. Eine Ausnahme macht allein der Paragraph, welcher festsetzt, dass die Kurfürsten alljährlich einmal mit dem Könige zur Berathung über Reichsangelegenheiten zusammenkommen sollen; jede Versammlung soll Ort und Zeit für die nächste bestimmen[1]. Dadurch erhielten die Kurfürsten freilich Gelegenheit, dem Könige etwaige Wünsche mitzutheilen; ein Recht zu anderweitigen Kurfürstentagen ohne den König, zu Beschlüssen und Bündnissen irgend welcher Art erhielten sie nicht; von der Festsetzung der Goldenen Bulle, dass alle Bündnisse, die nicht nur die Aufrechthaltung des Landfriedens bezweckten, verboten seien[2], sind die Kurfürsten nicht ausgenommen.

So erscheint auch in der Goldenen Bulle das Kurcollegium ausschliesslich als Wahlcollegium; bei Lebzeiten des Königs ruhte seine Thätigkeit, nur die einzelnen Mitglieder genossen bestimmte Vorrechte vor den übrigen Fürsten[3]; das ist die rechtliche und thatsächliche Lage während des 14. Jahrhunderts.

  1. s. Harnack, Kurfürst.-coll. S. 224–225; diese Versammlungen kamen nie zur Ausführung.
  2. Harnack S. 227–228.
  3. Es stand natürlich dem Könige frei, so oft er es gut fand, die Kurfürsten um Rath zu fragen oder zur Mitwirkung bei Reichsangelegenheiten heranzuziehen; das konnte aber nie einen Anspruch der Kurfürsten zu solcher Heranziehung begründen, wie denn auch der König ebenso gut andere Fürsten befragen konnte, wenn er es für wünschenswerth hielt.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_067.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2023)