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zu müssen. Heuer’s[1] Gründe dafür, dass diese Fassung spätestens im Herbst 1424 entstanden sein müsse, halte ich für zutreffend; er hat es auch sehr wahrscheinlich gemacht, dass dies schon auf dem Mainzer Kurfürstentage Anfang Juli 1424 geschehen sei. Lindner hat ihm zwar widersprochen, aber, wie mir scheint, keinen seiner Gründe widerlegt.

Auch die völlige Harmlosigkeit der Binger Vereinbarungen will Heuer nicht zugeben, meint aber, ebenso der früher herrschenden Ansicht entgegentreten zu müssen, dass man im Princip und mit Bewusstsein die Reichsverfassung habe ändern wollen. Da er sein Hauptaugenmerk auf die Datirungsfrage gerichtet und die Frage nach der verfassungsgeschichtlichen Bedeutung der Binger Einung nur gestreift hat, so dürfte es nicht überflüssig sein, auch diese eingehender zu erörtern. Um aber für den ganzen Vorgang die richtige Würdigung zu gewinnen, dürfen wir nicht von dem Wortlaute des Binger Vertrages, sondern müssen von einer Betrachtung des Verhältnisses zwischen König und Kurfürsten im 14. Jahrhundert ausgehen.


I.

Die Entstehung des Kurcollegiums ist noch immer nicht ganz klargelegt worden; jedenfalls war sie um die Mitte des 13. Jahrhunderts beendet. So wollen wir denn die Zeit Rudolf’s von Habsburg zum Ausgangspunkte nehmen. Damals besassen die Kurfürsten, ausser ihrem jetzt gesicherten Wahlrecht, kein anderes Mittel, auf die Reichsregierung bei Lebzeiten des Königs einen den der übrigen Fürsten übersteigenden Einfluss auszuüben,

  1. DZG VIII, 207–225 und IX, 122–123. Ich möchte seiner Beweisführung noch folgendes hinzufügen: Dass B sicher nicht im April 1427 auf dem Frankfurter Tage entstanden ist, scheint mir daraus hervorzugehen, dass damals noch Mainz und Pfalz in Streitigkeiten lagen, die erst nach Schluss des Tages, am 15. Mai, ausgeglichen wurden, und zwar durch Schiedspruch dreier ausserhalb des Collegiums stehender Fürsten, während doch nach B der „Gemeiner“ des nächsten Jahres (da in diesem Falle die eine Partei, Mainz, nach Lindner’s Ansicht Gemeiner des laufenden Jahres gewesen sein müsste) das hätte thun müssen. Man hätte also den eben erst geschlossenen Vertrag völlig ignorirt. Hingegen scheint für Heuer’s Ansicht zu sprechen, dass der erste Tag nach der Mainzer Juliversammlung in Aschaffenburg stattfand, den Anordnungen von B entsprechend.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_064.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2023)