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Von einem ähnlichen Einzelkampfe Theoderichs weiss uns Fredegar zu erzählen. Ein Avarischer Krieger erlegte durch verstellte Flucht zweimal hintereinander drei Gefährten Theoderichs, bis dieser selbst sich zum Kampfe entschloss und endlich den tapferen Gegner bezwang. Den Ueberwundenen führte Theoderich gefesselt in sein Lager und bemühte sich vergeblich, ihn durch Versprechungen und Drohungen zu seinem Vasallen zu gewinnen. Der stolze Avare bestand darauf, Theoderich solle ihn in seine Heimath entlassen, und dieser war edel genug, endlich seinem Wunsche zu willfahren. Als der Avare jedoch mit seinem Rosse über die Donau geschwommen war und das jenseitige Ufer der Freiheit glücklich erreicht hatte, rief er, durch den Edelmuth des Gegners bezwungen: „Jetzt bin ich frei und will freiwillig zu dir zurückkehren und dir treu sein bis ans Ende“. Er wurde der unzertrennliche Gefährte Theoderich’s und stand bei ihm in höchsten Ehren[1].

Auf dem Zuge nach Italien und in den Kämpfen mit Odoaker gab überall die persönliche Tapferkeit des Königs den Ausschlag. Um den Seinen den Weg zu bahnen, sprengte er allein den Gepiden entgegen; er befahl, seine Feldzeichen hoch zu erheben, damit ihn erkenne, wer ihn im Einzelkampfe bestehen wolle. Wie der Giessbach die Saaten verwüstet, der Löwe unter den Heerden der Rinder wüthet, so verbreitet Theoderich Tod und Verderben unter den Feinden. Sein Heldenzorn steigt, als den Seinen die Speere ausgehen. In der Entscheidungsschlacht bei Verona geht Theoderich geschmückt in den Kampf; jeder soll in ihm den König erkennen, jeder sich im Einzelkampfe mit ihm messen können[2]. Ennodius rühmt ihn geradezu als unbesiegbar[3].

  1. Fred. chron. II, 57a (SS. rer. Merow. II, 80). – Der Kampf des Einzelnen mit den drei Gegnern und der Sieg durch die verstellte Flucht erinnert an den tapferen Horatier der Römischen Sage. – Bock, Die Reiterstatue des Ostgothenkönigs u. s. w. S. 15 f. verweist den Kampf zwischen Theoderich und dem Avarischen Krieger ohne zwingende Gründe in die Austrasische Dietrichssage.
  2. Ennod. pan. VII u. VIII. Geschmückt gingen auch Totila und Teja, die letzten Volkskönige der Gothen, in den letzten Kampf. (Prok. de bell. goth. IV, 31 u. 35.)
  3. Ennod. pan. II. VII: si bella regis mei numerem, tot invenio quot triumphos – congressui tuo nullus hostium nisi qui laudibus adderetur occurrit. – qui te in acie conspexit superatus est – invictissime! – invictissimus ductor!
Empfohlene Zitierweise:
Gerhard Schneege: Theoderich der Grosse in der kirchlichen Tradition des Mittelalters und in der Deutschen Heldensage. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Band 11 (1894), S. 18–45. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg i. Br., Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_038.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)