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poetisch abgefassten Gründungsgeschichte des Klosters Mondsee unweit Salzburg. Indem der unbekannte Verfasser den Langobardenkönig Desiderius schmäht, findet er keinen treffenderen Vergleich als den mit dem Gothenkönig Theoderich. Die mangelhaften leoninischen Hexameter lauten:

Roma laborabat, quam proxima terra gravabat,
In quam ceu suevit, fortis Lombardia sevit,
Surgit et in gentes antiquitus armipotentes
Rege sub ingrato Desiderius et vocitato,
Qui Theodorici potuit de sanguine dici,
Temptans fortunam Romani sanguinis unam.
A se convelli vel de regno male pelli,
Et fortis durus his instabat quasi murus[1].

Auch der Friesische Abt Emo, der am Anfang des 13. Jahrhunderts an der Spitze des Klosters Wittewierum im Gröninger Lande stand, fand in seiner lebendigen Schilderung des Kampfes zwischen Mensch und Elementen keinen passenderen Vergleich für die Verheerungen des Ozeans als die Wuth eines Totila und Theoderich, die als Gottesgeisseln die sündige Menschheit heimgesucht hätten[2].

Auf demselben Standpunkt wie die Lateinisch geschriebenen Chroniken des Mittelalters stehen bezüglich Theoderichs auch die Deutschen Chroniken, sowohl Reim- wie Prosachroniken.

Die Kaiserchronik, welche in wunderlicher Mischung von Geschichte, Sage und Legende die Geschichte der Römischen und Deutschen Kaiser von Cäsar bis auf Konrad III. erzählt, vermehrte die Zahl der Augenzeugen bei dem göttlichen Strafgericht über Theoderich, machte aus dem Einsiedler eine Zuschauermenge und ersetzte den Johannes und Symmachus geradezu durch Teufel. Wir lesen:

vil manige daz sâhen,
daz in die tievel nâmen:
sie fuorten in in den berc ze Vulkân;
daz gebôt in sent Johannes, der heilige man.

  1. Mon. Germ. SS. XV, 1102.
  2. Emo’s Chronik (Mon. Germ. SS. XXIII, 490): Ecce talem stragem attulit furens oceanus vicem faciens Totile et Theoderici, qui persecuti sunt ecclesiam Dei peccatis hominum exigentibus.
Empfohlene Zitierweise:
Gerhard Schneege: Theoderich der Grosse in der kirchlichen Tradition des Mittelalters und in der Deutschen Heldensage. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Band 11 (1894), S. 18–45. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg i. Br., Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_035.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)