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waren in rhetorischem Gewande die Empfindungen Otto’s von Freising, als er in seinen Quellen von dem jubelnden Empfange las, den das Volk von Rom Theoderich bei seinem Einzuge in die ewige Stadt bereitete. „Undankbar gegen den Kaiser bemächtigte sich Theoderich des Römischen Reiches und verwandelte das Imperium, indem er Recht und Unrecht verwirrte und in seiner Ungerechtigkeit die Bürger schimpflich misshandelte, in eine Tyrannis. Als dies Anicius Manlius Boethius sah, trat er der Tyrannei kühn entgegen, wurde aber mit Verbannung bestraft und zu Pavia eingekerkert, wo er sein sehr nützliches Werk über die Verachtung der Welt schrieb“[1]. Boethius also hat das Bild bestimmt, welches sich Otto von dem Gothenkönig gebildet hatte; kein Wunder also, dass Theoderich ein Tyrann genannt wird, dass er als ein ungerechter grausamer Usurpator erscheint, befremdlich höchstens, dass wir nicht auch von der ungebändigten Habgier des Wütherichs hören!

Der Fortsetzer Otto’s von Freising, Otto von St. Blasien, scheint sich ein günstigeres Urtheil über Theoderich gebildet zu haben. Indem er Friedrich Rothbart’s Klugheit rühmt, der durch Waffengewalt, Bündniss oder Verwandtschaft sich die meisten Reiche des Abendlandes verbunden und das kaiserliche Ansehen bedeutend erhöht habe, erinnert er an Theoderich, von dem die Geschichte ein Gleiches bezüglich seiner Germanischen Nachbarreiche melde[2]. Dieser Vergleich setzt ein günstigeres Urtheil über Theoderich voraus. Die Quelle Otto’s war vielleicht Jordanes selbst, wahrscheinlich aber Ekkehard’s Auszug aus Jordanes.

Als der Typus eines schlechten Königs, ganz im Sinne des Boethius und Walafried, erscheint Theoderich wieder in der

  1. Otto v. Freising chron. V, 1: Itaque Theodoricus Romanorum potitus imperio, haut memor ab augusto suscepti mandati, fasque nefasque barbarice commiscens ac cives diversis iniuriis contumeliose afficiens, imperium vertit in tyrannidem. Cernens hoc clarissimus vir, consularis ordinis Anicius Manlius Boetius etc.
  2. Mon. Germ. SS. XX, 318: Igitur sicut de Theodorico Gottorum rege legitur universis per circuitum regibus affinitate seu federe seu subiectione Friderico imperatori consociatis, imperii status multis modis eo imperante exaltatur.
Empfohlene Zitierweise:
Gerhard Schneege: Theoderich der Grosse in der kirchlichen Tradition des Mittelalters und in der Deutschen Heldensage. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Band 11 (1894), S. 18–45. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg i. Br., Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_034.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)