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unsympathisch. So konnte der gelehrte Walafried Strabo eine Dichtung verfassen, welche in seltsamer Einkleidung (ein Zwiegespräch zwischen Walafried selbst und seiner als Person aufgefassten geistlichen Aufklärung — scintilla) und gesuchten Reminiscenzen aus Lateinischen Dichtern der klassischen Zeit uns im Frühling 829[1] nach Aachen vor den Palast Karl’s des Grossen und das Reiterstandbild des Gothenkönigs führt und uns im Sinne des Boethius von Theoderich das Bild eines habsüchtigen, eitlen und grausamen Tyrannen entwirft, eines der Menschheit verderblichen Ungeheuers, das nunmehr die Nichtigkeit aller menschlichen Hoffahrt erweise und die gerechte Strafe seiner Unthaten erleiden müsse. Mit dem Avernus Gregor’s beginnt denn auch die eigentliche Dichtung (V. 30 f.):

Tetricus Italicis quondam regnator in oris
multis ex opibus tantum sibi servat avaro;
at secum infelix piceo spatiatur Averno,
cui nihil in mundo, nisi vix fama arida restat.
quamquam thermarum vulgus vada praeparet olli,
hoc sine nec causa, nam omni maledicitur ore,
blasphemumque dei ipsius sententia mundi
ignibus aeternis magnaeque addicit abysso.

Die Worte omni maledicitur ore können sich nur auf die gelehrte Geistlichkeit beziehen, wie die Volkssage beweist und jene dem Walafried ungefähr gleichzeitigen Fuldaer Mönche, welche kein Bedenken trugen, unser Hildebrandslied auf den inneren Deckblättern eines geistlichen Andachtsbuches aufzuzeichnen.

In den folgenden Versen spricht der Dichter dann von dem „wahnsinnigen Löwen“, von dem „Tyrannen“, von einer verderblichen Pest:

o pestis sine fine nocens, non sufficit
omnem pervolitasse orbem bellis et caede potentum,
quin etiam faciem praeclara palatia contra
christicolasque greges videas posuisse nefandum (V. 72 ff.),

  1. Die Zeitbestimmung ergibt sich aus der Ueberschrift (anno Hludovici imperatoris XVI) und der Einleitung. Ausgabe von Dümmler, Poetae latini aevi Carolini II, 370. (Mon. Germ. auct. ant.) – Ueber die Reminiscenzen vgl. die Nachweise Dümmler’s in seinen Anmerkungen.
Empfohlene Zitierweise:
Gerhard Schneege: Theoderich der Grosse in der kirchlichen Tradition des Mittelalters und in der Deutschen Heldensage. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Band 11 (1894), S. 18–45. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg i. Br., Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_029.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)