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und seine Seele der Hölle preisgegeben[1]. Auch der Fränkische Scholasticus Fredegar, gewissermassen der Fortsetzer Gregor’s von Tours, hat sich als Franke in seinem fabelreichen Geschichtswerk das höllische Ende des Gothenkönigs natürlich nicht entgehen lassen. Er lässt den ketzerischen König vor seinem Höllensturz ein gewaltsames Ende von der Hand seines Bruders Geiserich finden[2]. Die Geschichte kennt nur einen Bruder Theoderich’s Namens Theodemund, der an Bedeutung weit hinter dem grösseren Bruder in den Hintergrund trat und frühzeitig, schon vor Theoderich’s Aufbruch nach Italien, aus der Geschichte verschwindet[3].

So ist denn schon im 7. und noch mehr im 8. Jahrhundert in den geschichtlichen Quellen die Erinnerung an die Herrschertugenden des grossen Königs, an die edlen Seiten seines Charakters verklungen. Kaum, dass wir noch von seinen grossartigen Bauten zu Ravenna, Verona und Pavia hören[4], und gelegentlich die Reiterstatuen des grossen Kriegers erwähnt werden[5]. Sein segensreiches Friedensregiment scheint in der geschichtlichen Erinnerung ausgelöscht und nur der Ketzer, der Tyrann lebendig. Ja, die Bezeichnungen des Paulus Diaconus: „arriana lue pollutus – rabie suae iniquitatis stimulatus – ductus malitia“, die blutige

  1. Greg. Tur. lib. in gloria martyr. c. 39 (Mon. Germ. SS. rer. Merow. I, 513): Domini autem misericordia statim ultionem super inprobum inrogavit; nam subito a Deo percussus plagis magnis exinanitus interiit suscepitque protinus perpetuum gehennae flammantis incendium.
  2. Fred. chron. II, 59a (SS. rer. Merow. II, 83): Theudericus cum papa Romensis apostolicum virum Johannem sine culpa morte damnassit et Symmacum patricium nullis causis extantibus itemque trucitare fecisset, ira percussus divina, a germano suo Gaisirico interficetur. Fertur in dialiquos sancti Gregorii a quaedam sacerdoti visibiliter: ab ipso pontifici et patricio Theudericus vinctus tragetur Sicilia in olloam ignis.
  3. Vgl. K. Martin, Theoderich d. Gr. bis zur Eroberung Italiens. Diss. Freiburg i. Br. 1888. S. 20, 44, 50.
  4. Das Palatium Theoderich’s zu Pavia bildete die Citadelle der Stadt. Paul. hist. Lang. II, 27. Auch in der Nähe von Modicia (Monza) hatte Theoderich ein Palatium erbaut. Mon. Germ. SS. rer. Lang. S. 123.
  5. Die Reiterstatuen Theoderich’s zu Pavia und Ravenna erwähnt und schildert Agnellus (Mon. Germ. SS. rer. Lang. S. 337 u. 338). Von einer Reiterstatue des Gothenkönigs zu Konstantinopel vor dem kaiserlichen Palaste erzählt Paulus Diac. hist. Rom. XV, 13.
Empfohlene Zitierweise:
Gerhard Schneege: Theoderich der Grosse in der kirchlichen Tradition des Mittelalters und in der Deutschen Heldensage. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Band 11 (1894), S. 18–45. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg i. Br., Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_026.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)