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Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17

Masse, als zur Zeit, da noch ganz Amerika ein Absatzgebiet war. Die Mächte und die Antisklavereigesellschaften kämpfen offenbar gegen Symptome an, ohne die Wurzeln des Uebels angreifen zu können. Nichts ist dafür bezeichnender, als die Briefe Gordon’s[1], der als entschiedener Feind des Menschenhandels seinen Posten antrat, sich aber in wenigen Jahren überzeugen musste, dass er nichts ausrichten konnte. Er selbst schreibt von den Sklaven, die abgeführt werden: „Sogar wenn sie es könnten, würden sie nicht in ihre Hütten zurückkehren wollen, die zerstört waren, als sie dieselben verliessen; und wenn sie es thäten, würden sie von den mächtigeren Stämmen angegriffen werden, und alles würde nur darauf hinauslaufen, dass sie die alten Ketten mit neuen vertauschen würden“.

Die wahre Ursache liegt darin, dass die unzähligen Negerstämme in Centralafrika noch auf jener Stufe der ökonomischen und socialen Entwicklung stehen, auf welcher sie ihre gegenseitige rechtliche Existenz nicht anerkennen, während die Mohamedaner, ähnlich wie ehemals die christlichen Staaten, zwar sich gegenseitig anerkennen, nicht aber die Negerstaaten. Es ist mit Recht hervorgehoben worden, dass, wenn auch die völlige Sperrung des Absatzes gelingen würde, dies nur zur Folge hätte, dass die siegreichen Negerstämme ihre Gefangenen nicht verkaufen, sondern nach alter Sitte umbringen würden. Es wiederholt sich das Verhältniss, das in alter Zeit zwischen den Griechen und manchen barbarischen Stämmen bestand und in welchem die Griechen unzweifelhaft das social vorgeschrittene Element waren, wie heute die Araber. Bevor es also nicht gelingt, Afrika ganz unter die Europäischen Mächte zu vertheilen und auch wirklich zu colonisiren oder die Negerstaaten ökonomisch so weit zu heben, dass sie zu einem gegenseitig und von den Europäischen Mächten anerkannten Besitzstande gelangen, wird es auch nicht möglich sein, die eigentliche Quelle der Sklaverei zu verstopfen, so sehr man auch mit dem besten Willen an den Symptomen herumcuriren mag.

Das unmittelbar praktische Interesse, welches die moderne civilisirte Gesellschaft an der Institution der Sklaverei nehmen muss, kann ein geringes sein; denn wir können uns rühmen,

  1. Ich entnehme sie dem Buche von Abignente S. 306.
Empfohlene Zitierweise:
Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17. Mohr, Freiburg i. Br. 1894, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_016.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)