Seite:De DZfG 1894 11 015.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17

Sogar die Entstehung der Sklaverei in den transoceanischen Ländern hat die Kirche nicht verhindern können, obwohl die Entdeckung Amerikas in eine Zeit fällt, in der unzweifelhaft schon viele Christen die Sklaverei an sich als ein Uebel betrachteten, und obwohl Männer der Kirche aufopferungsvoll für die Sache der Menschlichkeit kämpften. Sie kämpften gegen die wirthschaftlichen Verhältnisse einen vergeblichen Kampf, während christliche Könige und Kaufleute sich durch den Sklavenhandel bereicherten. Es ist nachgewiesen[1], dass schon vor der Entdeckung Amerikas, seitdem die Portugiesen die Ostküste Afrikas befuhren, der Sklavenhandel in diesen Gegenden begonnen hat – kein Wunder, da die Eingeborenen Afrikas den Europäern als rechtlos und gute Prise erschienen. Doch konnte die Sklaverei in Europa, dem es nicht an freien Arbeitern mangelte, keinen grossen Aufschwung mehr nehmen, und eine neue Phase in der Geschichte der Sklaverei beginnt erst mit der Entdeckung Amerikas und der Einfuhr von Negern in die neuen Länder. Hier waren wieder dieselben ökonomischen Voraussetzungen gegeben, die im Alterthume für die Entstehung der Sklaverei massgebend waren: eine erobernde Kriegerkaste auf der einen Seite und auf der anderen ein Rechtskreis, der nicht anerkannt war, Fremde, mit denen man nur in kriegerische Beziehungen trat. So bauten sich nun auch die Amerikanischen Staaten auf der Grundlage der Sklaverei auf, und trotz Christenthum, Philosophie und Abolitionismus wurde sie erst in unserem Jahrhundert sehr allmählich abgeschafft, nachdem sich die wirthschaftlichen Verhältnisse Amerikas vollständig geändert hatten und sich die Eroberer in friedliche ackerbauende und industrielle Völker verwandelt hatten[2].

Trotzdem aber nun Amerika dem Sklavenhandel verschlossen ist und trotzdem die Europäischen Mächte an den Küsten die Sklavenausfuhr zu verhindern suchen, dauern die Menschenjagd und der Sklavenhandel in Afrika fort, wenn auch in geringerem

  1. Vgl. Abignente a. a. O. S. 271 und das von ihm citirte Werk von Frossard, La cause des esclaves nègres.
  2. Unter den wirthschaftlichen Ursachen, die bei der Aufhebung der Sklaverei in Nordamerika mitwirkten, führe ich nach Tocqueville und Holst die stockende Sklavenzufuhr, die Theuerkeit des Sklavenbetriebes, sowie den Zufluss von freien Arbeitern an.
Empfohlene Zitierweise:
Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17. Mohr, Freiburg i. Br. 1894, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_015.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)