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Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17

Kirchen und Klöster ebenso wenig Anstoss daran nahmen, Sklaven zu besitzen, wie die weltlichen Grossen. Aber mögen auch die Sklaven in geistlichem Besitze vielleicht besser behandelt worden sein, so darf man dies nicht als einen Beweis für das Ankämpfen der Kirche gegen die Sklaverei als solche ansehen; wenn die Kirche ihre strengere Auffassung von der Ehe auch darin zum Durchbruche brachte, dass die Sklavenehen anerkannt wurden, so blieben doch Gatten und Kinder Sklaven; wenn neben den übrigen Freilassungsarten auch eine Freilassung „in ecclesia“ zugelassen wurde, so beweist dies nicht einmal, dass die Kirche die Freilassungen begünstigte, sondern nur, dass sie hier, wie bei anderen öffentlichen Acten, an Stelle des Staates trat.

Das Hauptverdienst der Kirche besteht darin, dass sie, in ihrer Wirkung bedingt und aufgebaut auf Grundlage des Römischen Reiches, die Form herstellte, in welcher der Zusammenhang der Römisch-christlichen Völker durch Glauben und Hierarchie noch in einer Zeit aufrecht erhalten wurde, als das Römische Reich zuerst thatsächlich und dann auch politisch und staatsrechtlich in viele Einzelstaaten zerfallen war. Durch diesen Zusammenhang aber wurde innerhalb der christlichen Staaten ein Wiederaufleben des alten Kriegsrechtes und damit auch der Sklaverei in grösserem Umfange unmöglich gemacht. Die Germanen übernahmen die Hörigkeit in der Form des Römischen Colonates und machten auch die politisch überwundenen Römer nicht zu Sklaven, wo sie, wie in der Regel, als Verbündete und nicht als Feinde der Römischen „respublica“ gekommen waren. Die schon weit vorgeschrittene Verdrängung der Sklaverei durch die Hörigkeit konnte also unter den gleichen wirthschaftlichen Bedingungen ihren ungestörten Fortgang nehmen; auch im frühen Mittelalter kann man diesen Process an der Wirthschaftsgeschichte der grossen Kirchengüter verfolgen; doch wiederum ist die Kirche nicht Pfadfinderin, sondern nur mit fortgerissen von dem breiten Strome der wirthschaftlichen Entwicklung.

Wie sehr die Romanisch-christlich-Germanische Gesellschaft und in ihr die Kirche sich noch in dem alten Anschauungskreise bewegte, das beweist ihr Verhalten gegen alle diejenigen, welche ausserhalb ihres Rechts- und Civilisationsbereiches standen. Sehr energisch wettert Papst Gregor I. nicht minder, als 400 Jahre später der heilige Adalbert gegen den Unfug, dass Juden christliche

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Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17. Mohr, Freiburg i. Br. 1894, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_013.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)