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Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17

halten, auch wenn ihn die Concurrenz des Sicilischen Kornes noch nicht erdrückt hatte. Das Bauernlegen nahm überhand, und der Grossgrundbesitzer organisirte seinen Betrieb schon desshalb auf Grundlage der Sklavenarbeit, weil der Sklave nicht, wie der Freie, vom Pfluge zu den Waffen gerufen werden konnte, dann aber auch, weil die Römischen Heere täglich so viele Tausende von Sklaven auf den Markt warfen, dass das Sklavenmaterial billig und leicht zu erwerben war; der Unterhalt des Sklaven war ohnedies schon desshalb billiger, als der des freien Arbeiters, weil dem Sklaven in der Regel keine Familie zugestanden wurde. Gesetze, die unter diesen Umständen zu Gunsten der freien Arbeit erlassen wurden, hatten natürlich keinen Erfolg.

Dies änderte sich aber in der Kaiserzeit vollständig, so dass nach dem ersten halben nachchristlichen Jahrtausend die Sklaverei im Umkreise des Römischen Reiches zwar nicht verschwunden ist, aber – ganz im Gegensatze zum socialen Aufbau des Alterthums – gegenüber der hörigen und freien Arbeit eine durchaus untergeordnete Rolle spielt. Man kann eine so auffallende Erscheinung, wie die allmähliche Zurückdrängung der Sklaverei, doch nur begreifen, wenn die Ursachen, welche der Institution zu Grunde lagen, zu wirken aufhörten. Segré hat, wenn ich nicht irre, zum ersten Male in diesem Zusammenhange darauf hingewiesen, dass in Italien in Augustischer Zeit schon Mangel an Sklaven eintrat[1], eine Folge der Festlegung der Grenzen des Römischen Reiches. Principiell hat zwar das Alterthum den Grundsatz, dass der Fremde der Feind ist, niemals aufgegeben; thatsächlich aber wurde sein Geltungsgebiet durch jedes neu abgeschlossene Bündniss mehr eingeengt. Als nun alle Völker des Mittelmeerbeckens durch Bündnisse zum Römischen Reiche geeinigt waren, dieses Römische Reich aber sich nicht mehr ausdehnen wollte oder nicht mehr im Stande war sich auszudehnen, sich vielmehr mit einem Kranze verbündeter Fürsten und Völker umgab, um nicht selbst mit den Barbaren in Berührung kommen zu müssen, da war thatsächlich die Quelle, aus der die Sklaverei entstanden war, grösstentheils verstopft. Andrerseits war in Folge derselben äusseren Ursache, da für das Militär nur ein geringer Bruchtheil der Bevölkerung

  1. Archivio giuridico 42. Band (1889).
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Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17. Mohr, Freiburg i. Br. 1894, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_008.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)