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der Europäischen Stimmung auf bischöfliche Stühle gebracht, theils solche, welche Friedrich I. gleich in dem ersten Jahre seiner Regierung selbst ernannte. Aber auch von den älteren Mitgliedern des hohen Klerus sind viele mitgegangen. Und hier haben wir die Möglichkeit, die Umwandlung ihrer Anschauungen und ihrer Stellung an zwei Beispielen genauer zu verfolgen.

Das erste und berühmteste dieser Beispiele ist die weitgehende innere Umwandlung, welche in jenen Jahren mit dem Bischof Otto von Freising vor sich geht. Unter der Regierung Konrad’s III. hat Otto seine grosse Weltchronik verfasst, welche erfüllt ist von dem Gedanken, dass die irdischen Staaten seiner Zeit sich im tiefsten Verfall befänden, und dass die einzige Hoffnung des Menschengeschlechts auf der grossen kirchlichen Organisation beruhe. Er schildert den Niedergang des Kaiserthums in den letzten Generationen und ist überzeugt davon, dass das Ende der Welt nahe bevorstehe. Seine damalige Stimmung hat er selbst als Ueberdruss am Leben bezeichnet. In den Jahren, wo dann unter dem Eindrucke der thatsächlichen Misserfolge der Kirche die Europäische Stimmung von der kirchlichen Leitung der allgemeinen Angelegenheiten sich abwendet, empfindet Otto gemeinsam mit seiner ganzen Generation den grossen Mangel einer starken Regierungsgewalt in Deutschland. In dem Augenblick, in welchem sich ihm die Möglichkeit eröffnet, in Deutschland eine Regierungsgewalt zu errichten, welche wirklich dem vorhandenen staatlichen Verfall ein Ende bereiten könnte, tritt er auf die Seite des Mannes, dem er diese Erfolge zutraut. Otto von Freising ist der einzige Babenberger, der sofort und dauernd auf die Seite Friedrich’s tritt, während sein ganzes Haus sich entweder von der Erhebung oder doch von dem Erhobenen fern hält. Und einige Jahre darauf hat Otto dann in seinem zweiten Geschichtswerk die Erfolge dieser neuen Politik verkündet und offen bekannt, dass er von einer finsteren zu einer heiteren Lebensauffassung durchgedrungen sei.

Otto ist eine tief philosophisch angelegte Natur. Es ist neuerdings mit Recht betont worden, dass seine Augustinische Weltanschauung ihn bis zu seinem Lebensende nicht verlassen hat. Er hat nur den mit einander ringenden Elementen in seinem Ideenkreise eine gänzlich veränderte Stellung gegeben.

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 317. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_317.jpg&oldid=- (Version vom 11.4.2023)