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Rechtswidrigkeit zu betrachten, stellt Raumer es als das Angemessenste hin, die verfahrene Angelegenheit ab integro zu verhandeln (ohne dass wir darüber aufgeklärt werden, wie sich ein derartiges Verfahren von einem Rechtsbruch unterscheide[1]), und sucht sich schliesslich durch ein rein formales Contumacialerkenntniss aus der Schlinge zu ziehen. Umgekehrt erscheint bei Philippson und bei Prutz gerade Heinrich Jasomirgott als der böswillige Rechtsverletzer; und derselbe Friedrich, der bei Riezler einen Act der Cabinetsjustiz übt, erscheint bei Giesebrecht in einer Situation, in welcher er kaum wagt, dem Rechte freien Lauf zu lassen[2]. Aber mehr noch als diese Abweichungen muss das auffallen, worin alle übereinstimmen: die Streitigkeit wird erst durch Richterspruch entschieden und dann noch einmal durch Vergleich beendigt. Friedrich hat im Jahre 1154 dem Babenberger das Herzogthum Baiern aberkannt, und im Jahre 1156 verhandelt er mit ihm als Herzog von Baiern. Hat Heinrich der Löwe im Jahre 1154 das Herzogthum erhalten, so ist völlig unklar, zu welchem Zwecke nachher eine Belehnung vorgenommen oder gar „wiederholt“ wird, wenn damit die Besitzübergabe noch immer nicht verbunden sein soll. Namentlich bei Philippson und bei Prutz wird dem Leser beständig gesagt, dass nun endlich die endgültige Entscheidung falle, um ihn dann noch durch ein paar Reichstage hindurchzuführen; und selbst als dem Kaiser nach gesprochenem Erkenntniss wirklich „die

  1. Die neuerdings von Schröder aufgestellte Theorie (Rechtsgesch. S. 17391. 53347), dass die Urtheile des Hofgerichts keine Rechtskraft besessen hätten und also jederzeit von neuem zur Verhandlung gebracht werden konnten, ist hier auch nicht einmal anwendbar; denn soweit wird vermuthlich auch Schröder nicht gehen, dies von bereits vollstreckten Urtheilen anzunehmen. Dass der König gegen seinen gesprochenen Spruch neue Gründe anzuhören sich bereit erklärt, kann man vielleicht aus dem Billigkeitscharakter des Königsgerichts herleiten. Sollte aber das bereits vollstreckte Urtheil revisibel (und zwar jederzeit revisibel!) sein, so würde das bedeuten, dass es keinen unsichereren Besitztitel gegeben hätte, als den Besitz kraft Urtheils im Königsgericht.
  2. Dabei werden wir nirgends in den Stand gesetzt, die juristische Motivirung in Bezug auf ihre Quellenmässigkeit zu prüfen. Es ist ohne Zweifel gestattet, eine dem Rechte der Zeit entsprechende Motivirung bei den Parteien vorauszusetzen, auch wenn sie nicht quellenmässig bezeugt ist. Woraufhin Philippson aber dem Babenberger eine Motivirung in den Mund legt, die er selbst für unzutreffend hält, ist nicht zu sehen.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_283.jpg&oldid=- (Version vom 10.4.2023)