Seite:De DZfG 1893 10 222.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

ihm also nur wenige Truppen zur Verwendung im freien Felde bleiben und er hat schwerlich die Mittel, auch nur dieses verhältnissmässig wenig zahlreiche Heer gehörig mit Artillerie und Schiessbedarf auszurüsten. Haben wir zur Zeit, wo die Rüstungen der Deutschen Fürsten vollständig beendigt sind, Frankreich den Frieden noch nicht diktirt, so gewähren uns alsdann ungeheure Streitkräfte die Mittel, seine Hauptstadt zu bedrohen und sie zu erobern, indem wir ihr alle Zufuhr abschneiden.“

In diesem Zusammenhang ist von Gneisenau der Vorschlag eines directen Vormarsches über den Mittelrhein nach Metz-Nancy-Paris gemacht worden, als die Ausführung des am 8. November beschlossenen Marsches durch die Schweiz nach Genf auf die uns bekannte Schwierigkeit stiess und der Seitenmarsch nach Langres, den jetzt Radetzky vorschlug, noch nicht beschlossen war. In Gneisenau’s neuem Plan war, wie schon gesagt, von jedem Marsch durch die Schweiz für den Anfang ganz abgesehen. Es hiess darin, nach Uebergabe von Erfurt oder Dresden könne das Corps Kleist (15 000 Mann) sammt den dann verfügbaren Truppen der ehemaligen Rheinbundsfürsten nach dem Oberrhein ziehen und von dort aus je nach Umständen entweder die im Elsass zurückgelassenen Heertheile ablösen oder durch die Schweiz in die Freigrafschaft eindringen. Damit war dieser Marsch aus der Reihe der nothwendigen Massregeln ausgeschieden, in die der allenfalls möglichen verwiesen und zugleich auf eine Zeit vertagt, in welcher die Frage der Neutralität der Schweiz ganz von selber durch den Gang des Krieges erledigt war.

War der Plan Gneisenau’s wirklich so rasch ausführbar, wie er unstreitig genial gedacht war?

Man sollte es glauben. Bernhardi erzählt, nach dem Friedensschluss sei der Marschall Ney gefragt worden, was erfolgt wäre, wenn dieser Plan im November zur Ausführung kam. Er habe mit den Achseln gezuckt und gesagt: „Die Heere der Verbündeten hätten ihre Märsche bis Paris zählen und ihre Marschquartiere bis dahin im voraus bestimmen können.“ (Toll IV, 1, 46.) Und in einem Brief Napoleon’s an Marmont vom 19. November lesen wir die Worte: „Nous ne sommes dans ce moment-ci en mesure pour rien.“ Von Seiten des Feindes also war im November 1813 noch kein nennenswerther Widerstand zu besorgen.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_222.jpg&oldid=- (Version vom 2.5.2023)