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Venedig, die zweite[1], d. h. also die „Synchronistische Tabelle“ (wofür charakteristisch das Fehlen der Capiteleintheilung). Eine besondere Aehnlichkeit mit dem Cod. Vaticanus 1960 zu finden, mag Ehrle dadurch veranlasst worden sein, dass auch dieser anfangs eine synchronistische Tabelle enthält. Nur ist diese letztere viel kürzer als jene der zweiten Recension (in der Venetianischen Handschrift). Während in dem Cod. Marc. die Hauptmasse des Textes in der Rubrik „Contingentia“ untergebracht ist, die von allerlei Tabellen umgeben ist, finden sich in dieser Rubrik im Cod. Vatic. nur einige Notizen; der eigentliche historische Stoff folgt dann eben später, in Capitel eingetheilt, in der „Satirica“.

Wie dem aber auch sein mag – bestimmten Aufschluss kann ja nur eine genaue Vergleichung der Handschriften liefern – jedenfalls ist die Pariser Handschrift Nr. 4939 von besonderem Interesse: einmal wegen der Beziehungen zu Boccaccio[2] und dann weil aus ihr offenbar jene beiden Papstleben (Clemens V. und Johannes XXII.) stammen, welche Baluze[3] einem „Anonymus Venetus“ zugeschrieben hat, der eben auch kein Anderer ist als unser Paulinus. Dass diese beiden „Vitae“ eine gewisse Rolle bei der Frage nach dem Fortsetzer der Kirchengeschichte des Tolomeo von Lucca spielen, habe ich anderwärts[4] früher schon angedeutet. Mein allzu früh verstorbener Freund Dietrich König hat dieselben dem Bernardus Guidonis zusprechen wollen[5]; dagegen hat bereits M. Ritter im „Bonner Theolog. LBl.“ (1876 No. 25) Bedenken geäussert und es besteht um so weniger Grund, sie unserem Venetianer Paulinus abzuerkennen (wenn derselbe dabei auch den Bernardus Guidonis benutzt haben mag), als sie sich fast gleichlautend in der „Synchronistischen Tabelle“ zu Venedig vorfinden. Wenn ich sage „fast gleichlautend“ und in der Vita Clemens V. und Johannes XXII. kleinere Abweichungen im Wortlaut begegnen[6], darf man sich, glaube ich, daran nicht stossen. Solche Veränderungen konnte entweder der Autor selbst oder noch eher der

  1. Wenn auch vielleicht mit manchmal etwas verschiedenem Text; cf. meinen Aufsatz: „Zur Boccaccio-Literatur“ a. a. O.
  2. S. darüber meinen oben citirten Aufsatz: „Zur Boccaccio-Literatur“.
  3. Vitae Paparum Avenionensium I, 85–94 und 169–172.
  4. „Zur Historiographie des 14. Jahrhunderts“ in den „Forschungen“ Bd. XVIII p. 214.
  5. In seiner Arbeit über „Ptolemäus von Lucca und die Flores Chronicorum des Bernardus Guidonis“ (Würzburg 1875) p. 66 u. ff.
  6. Grössere in der Geschichte Heinrich’s VII, die bei Baluze a. a. O. umfangreicher ist, indem hier noch die „Historia Augusta“ des Albertinus Mussatus benutzt zu sein scheint.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_123.jpg&oldid=- (Version vom 13.4.2023)