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jungen Sohnes ein Vermächtniss des sterbenden Königs zu erblicken. Freilich war diese Uebergabe ebenso der gegentheiligen Deutung fähig. Otto von Freising wehrt daher jede Deutung der letzten Handlung König Konrad’s ab. Ihm ist die Erhebung Friedrich’s ein Act der freien Fürstenwahl. Friedrich’s ganze Stellung ist in seinen Augen das Motiv, um dessentwillen die Fürsten (aus eigener Ueberlegung) ihn wählen.

Weitaus der grösste Theil von Friedrich’s Regierung trug die Signatur der Lage, die bei seinem Regierungsantritt massgebend gewesen war: die beiden engverbundenen Familien der Staufen und Welfen durch seine Person in ihrer Einheit dargestellt; die Kreise, die vorher mit dieser Hohenstaufisch-Welfischen Gruppe in Feindschaft gelebt hatten, ebenfalls unter dem gemeinsamen Königthum versöhnt. Eine Wendung trat dann, gegen 1180, durch den Zwist mit Heinrich dem Löwen ein. Und dieser Zwist loderte in der nächsten Generation im Kampfe zwischen einem Welfischen und einem Staufischen Kaiser auf das Mächtigste empor. In diesen Kämpfen der späteren Generation ist es vorgekommen, dass der Hohenstaufe Philipp, um das Reich nicht einem Kinde anzuvertrauen, statt seines jungen Neffen die Zügel selbst in die Hand nahm (1198). In diesen Kämpfen auch hat es sich ereignet, dass schliesslich der Papst zu Gunsten des übergangenen Knaben (Friedrichs II.) eingeschritten ist (1212).

In dieser späteren Zeit, in welcher Hohenstaufen und Welfen nicht mehr als verwandte Häuser, sondern nur noch als blutige Feinde gedacht wurden, hat sich die Antistaufische Auffassung über die Art gebildet, in welcher der Ahnherr der regierenden Hohenstaufen die Krone erlangt habe. Und ihr gegenüber verschob dann die Staufische Tradition, was sie ursprünglich als Motiv der wählenden Fürsten berichtet hatte, rückwärts in die Seele des sterbenden Konrad. In dieser Entwicklung blieb die Staufische Tradition immerhin noch gezügelt, wiewohl auch sie in ihren uns in weiter Ferne begegnenden Ausläufern sich bis zu einer Erbberedung schon bei der Wahl von 1138 entwickelte. Die Antistaufische Tradition aber machte eine völlig zügellose Entwicklung durch. Sie verwechselt Personen und Jahre, sie lässt den jungen Sohn weiter leben und zu seinen Gunsten den Papst eingreifen (= Friedrich II.!). Sie überträgt die Stellung Philipp’s, der zu Anfang wirklich die Regierung nur vormundschaftlich

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_090.jpg&oldid=- (Version vom 9.4.2023)