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hat Konrad nicht gewagt, Baiern wieder zu vergeben[1]. Sachsen hat er, wie bekannt ist, an den Erben Heinrich’s des Stolzen gehen lassen und diesen im Besitze ausdrücklich anerkannt[2]; einer eigenmächtigen Entscheidung über Baiern suchte er dadurch aus dem Wege zu gehen, dass er durch die Ehe Gertrud’s mit Heinrich von Oesterreich einen Consens der Mutter in Vertretung ihres jungen Sohnes zu erlangen suchte[3].

4. Haben wir schon hiernach den Eindruck, dass die Aechtung Heinrich’s des Stolzen auf Welfischer Seite als rechtlich nicht vorhanden betrachtet und dass dem auf Staufischer Seite kaum schüchtern widersprochen wurde, so tritt diese Anschauung mit unzweifelhafter Gewissheit uns in dem Process entgegen, welchen später, im J. 1147, der mündig gewordene Heinrich (der Löwe) von Sachsen um sein zweites Herzogthum beim Hofgericht anstrengt. Wiederum auf Welfischer Seite die strict festgehaltene Anschauung, dass Baiern dem Sohne kraft Erbrechts gehört, so als ob eine Aechtung des Vaters gar nicht existirte. Dem gegenüber macht Konrad kaum einen ernstlichen Versuch, die Aechtung zu vertheidigen. Ja, als er sich entschlossen hat, seine persönliche Stellung zur Sache von einem Spruche des Fürstengerichts abhängig zu machen, spricht er davon in Ausdrücken, als ob damit dem Kläger schon alles zugestanden sei. Und als unter Friedrich I. der Process weiter geführt wird, sehen wir aus der ganzen Art, wie der Babenberger den Process behandelt, dass ihm keine andern als dilatorische Mittel (Frustriren des Termins und Benörgelung der Ladung) zur Verfügung stehen[4].

5. Man mag bei diesem Sachverhalt noch so viel auf die persönliche Schwäche Konrad’s III. und auf die Verlassenheit des Babenbergischen Herzogs schieben, so lässt sich doch Eines nicht wegleugnen: wenn die Welfischerseits behauptete Nichtigkeit des (unangefochten gebliebenen) Urtheils etwas nach Deutschem Recht absolut Unzulässiges wäre, so würde dieser Grund entweder von dem Hohenstaufischen Geschichtschreiber oder von den Hohenstaufen und Babenbergern im Process irgend einmal dem Welfen entgegengehalten werden. So aber ist das Sachverhältniss nur

  1. Bernhardi S. 3138.
  2. Bernhardi S. 27842.
  3. Bernhardi S. 3138.
  4. Hierüber siehe unten (im nächsten Heft).
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_075.jpg&oldid=- (Version vom 8.4.2023)