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sich an Stelle des inzwischen in der Verbannung gestorbenen Quodvultdeus wieder einen Oberhirten zu wählen, und so erhielt denn Karthago am 24. October 454 in der Person des Deogratias wieder einen orthodoxen Bischof[1]. Nach dem, was vorhin (p. 32) über die kirchlich-politische Bedeutung des Bisthums Karthago gesagt wurde, kam die eben erwähnte Concession Geiserich’s der Bewilligung unverkürzter Glaubensfreiheit vollständig gleich. Diese katholikenfreundliche Gesinnung des Königs hielt bis zum Tode des Bischofs Deogratias vor; während seiner dreijährigen Verwaltung (454–457) blieb der äussere Friede der Afrikanischen Kirche unerschüttert (vgl. Victor Vit. I, c. 8 bezw. I, c. 24–27 mit I, c. 9 bezw. I, c. 28; 29).

Die Frage, welche Gründe der diplomatischen Verwendung Valentinian’s für die Katholiken plötzlich einen Erfolg verschafften, den man nach Geiserich’s bisherigem Verhalten gegen den Weströmischen Kaiser nicht hätte erwarten sollen, lässt sich nur durch Vermuthungen beantworten. Papencordt (p. 81 f.) erinnert daran, dass Geiserich wenige Jahre vorher (451) den Hunnenkönig Attila zu seinem verhängnissvollen Feldzug gegen die Römer und Westgothen veranlasste, der mit der Niederlage der „Gottesgeissel“ in den catalaunischen Gefilden endete (s. Excerpta ex Prisci rhetoris historia c. 7, ed. Bonn. p. 152), und stellt dann folgende nicht ganz unwahrscheinliche Hypothese auf; „ob Geiserich zu gleicher Zeit eine Unternehmung gegen die Römer gemacht habe, wissen wir nicht; aber es ist eher zu vermuthen, dass er mit ihnen Frieden hielt, um, wenn Attila unterläge, an ihnen noch eine Stütze gegen die Westgothen zu haben“.

Ungleich ansprechender, auch in den historischen Einzelheiten genauer scheint mir dagegen folgende Vermuthung Stadler’s v. Wolffersgrün (p. 29) zu sein: „Ob Geiserich eine Gegenleistung dafür, nämlich für den Angriffskrieg Attila’s gegen

  1. Vgl. Vict. Vit. I c. 8 bezw. I c. 24 („Post haec factum est supplicante Valentiniano Augusto, Carthaginiensi ecclesiae post longum silentium desolationis episcopum nominari nomine Deogratias“) mit App. ad Prosp. Tir. Chron. ad a. Chr. 454 („Carthagine ordinatur, episcopus Deogratias in basilica Fausti die dominica VIII [corr. IX] Kal. Nov.“) nebst Papencordt’s (p. 82, Anm. 2) und Stadler’s von Wolffersgrün (p. 29) Erläuterungen. Ohne allen Grund nimmt Morcelli (Africa christ. III p. 163) an, die Karthagischen Katholiken hätten heimlich den Kaiser Valentinian veranlasst, sich für sie beim König zu verwenden.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_036.jpg&oldid=- (Version vom 6.4.2023)